Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
zurück, als ob eine subtile Gezeitenwirkung auf das Innere des Kondensats einwirkte. Was nach Lis Kenntnissen durchaus der Fall sein mochte. Natürlich hatte Sharifi Bescheid gewusst. Aber sie war unter die Erde gegangen und umgekommen. Soweit Li sagen konnte, hatte sie nichts als unbeantwortete Fragen hinterlassen.
    »Ich habe mit ihr gesprochen«, fuhr Haas fort. »Und wissen Sie was? Dieses Miststück hat mich ausgelacht. Sie war verrückt. Es ist mir egal, wie berühmt sie war. Oh, sie konnte gut reden. Empirische Befunde hier, statistische Daten dort. Aber im Wesentlichen ging es darum, dass sie glaubte, die Bossies redeten mit ihr. Und wie bei jedem anderen, den ich kenne und der davon überzeugt war, endete es böse mit ihr. Ich wünschte nur, diese Bohrer-Schlampe hätte nicht mein halbes Bergwerk mit ins Verderben gerissen.«
    Li erstarrte. »Bohrer« war so ziemlich das bösartigste Wort in dem Pidgin-Englisch, das überall auf Compsons Planet gesprochen wurde – so war Li damals selbst gerufen worden, als sie noch wie das Vollblut-Konstrukt aussah, das sie war.

    Haas bemerkte ihre Reaktion; er rutschte auf seinem Stuhl herum und verzog das Gesicht auf eine Weise, die bei jedem anderen Mann Bedauern ausgedrückt hätte. »Ich habe natürlich nicht Sie gemeint.«
    »Natürlich.«
    »Hören Sie.« Er beugte sich vor und zog die breiten Schultern zusammen, um seine Worte zu unterstreichen. »Es ist mir scheißegal, was Sharifi war. Oder was Sie sind. Oder wer auch sonst. Aber es ist mir nicht scheißegal, wenn einige im Ring ansässige Bürokraten mich veranlassen, ihnen meine beste Hexe auszuleihen und das halbe Bergwerk stillzulegen, damit sie ihre kleinen Spielchen treiben kann. Und jetzt, da alles zum Stillstand gekommen ist, sagen sie mir nur, ich soll warten.«
    »Nun, ich sage Ihnen nicht, dass Sie warten sollen«, erwiderte Li. »Und je eher ich unten bin, desto schneller können wir dieser Sache auf den Grund gehen, damit Ihre Leute wieder in der Lage sind, an die Arbeit zu gehen.«
    Haas ließ sich zurücksinken und gab ein Lachen von sich, das wie ein kurzes, hohes Bellen klang. Die Reaktion wirkte so einstudiert, dass Li sich fragte, ob er sie sich auf einem der interaktiven Spinvideo-Kanäle abgeschaut hatte. »Wir betreiben hier kein Ausflugszentrum«, sagte er. »Sharifi arbeitete in weniger als hundert Metern Entfernung von einer aktiven Schnittkante. Ich werde Sie nicht einmal annähernd in die Nähe lassen.«
    »Sharifi war doch auch dort.«
    »Sharifi war berühmt. Sie sind nur ein Trampel, der ein paar Glückstreffer gelandet hat.«
    Li grinste. »Netter Spruch, Haas. Aber ich werde mich in jedem Fall dort umsehen. Warum legen Sie’s drauf an, dass ich’s über Ihren Kopf hinweg mache?«
    »Dann gehen Sie doch, wohin Sie wollen. Waren Sie schon einmal in einem Bose-Einstein-Bergwerk? Sie können
auf fünfzig verschiedene Arten umkommen, schneller, als Sie blinzeln können. Ich will in dieser Woche nicht noch eine Leiche am Hals haben, und deshalb lasse ich Sie nicht dort runter.«
    Li stand auf, ging um Haas’ Schreibtisch und nahm das Headset seines VR-Kits. »Wollen Sie mit dem Truppenhauptquartier sprechen, oder soll ich es tun?«
    Er fuhr herum und sah sie an, als hielte er es für einen Bluff.
    »Na gut«, sagte er. »Ich fahre in zwei Stunden mit einer Erkundungsmannschaft runter. Wenn Sie bis dahin fertig sind.«
    »Bin ich«, sagte Li und verdrängte alle Gedanken an ihre Erschöpfung, die Hoffnung auf eine heiße Dusche und einen erholsamen Schlaf ohne Sprungträume.
    »Erwarten Sie nicht, dass ich Ihren Babysitter spiele. Wenn Sie Ihren Beatmer vermurksen oder in einen Schacht abstürzen, ist es Ihr Hals.«
    »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
    Haas lachte. »Das hat Voyt auch immer gesagt.«
    Li schaute auf die Sterne hinunter, die zwischen ihren Füßen kreisten, und kam zu dem Schluss, dass sie besser das Thema wechseln sollte, bevor sie es sich noch anders überlegte. »Hat TechComm mitgeteilt, wann das Feld-Array wieder läuft?«
    »Raten Sie mal. Sie arbeiten daran. Was im TechComm-Jargon soviel heißt wie: ›Ist uns scheißegal, wir können nicht zaubern.‹«
    Haas hat nicht ganz Unrecht, dachte Li. Die UN hatte lange vor vielen anderen die Zukunft kommen sehen, hatte schon zu Anbeginn des Bose-Einstein-Zeitalters erkannt, was die Lebensadern der Macht sein würden. Die UN setzte alles auf neue Technologien, subventionierte sie, patentierte sie, ging sorgfältig

Weitere Kostenlose Bücher