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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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vom MotaiSyndikat übernommen haben, konnten wir die Produktion verdreifachen und unsere Personalkosten halbieren. Phantastisch, was?«
    »Sicher«, sagte Li. »Phantastisch. Ich bin mir sicher, die Gewerkschaft ist begeistert.«
    »Was?« Haas sah sie an, als hätte er ihr am liebsten ins Gesicht gespuckt. »Da hat Ihnen wohl jemand Märchen erzählt, Major. Es gibt keine Gewerkschaft.«
    Er streckte an Lis Gesicht vorbei einen Arm aus und zog die Fensterblende hoch, um nachzuschauen, wie weit sie sich inzwischen dem Planeten genähert hatten. Sie waren bereits tief in der Atmosphäre, und Flammenzungen leckten an den Flügeln des Shuttles. Die Kohlefelder breiteten sich unter ihnen wie eine Landkarte aus. Das breite Flutbecken war von einem Ozean eingeebnet worden, der drei geologische Zeitalter vor der Ankunft des Menschen auf Compsons Planet ausgetrocknet war. Die Kauen und Bergwerksbauten zogen sich in einem Bogen am Rande des Tals hin und folgten den Kohlevorkommen. Weit darüber, die ausgezackten Gipfel bereits von der Dämmerung rot getönt, ragten die Schwarzen Berge in den Himmel, eine dichte Reihe von Kliffs und Graten bis hin zur Kontinentalen Teilung.
    Es dauerte einen Moment, bis sie daraufkam, was an diesem Anblick nicht stimmte. Etwa auf viertausend Meter Höhe hing ein dichter Nebel über den Berghängen. Und
weiter unten hatte eine dünne Schicht hellgrüner Oxidation den Fuß der Felswände überzogen. Als Li diese Kliffs zuletzt gesehen hatte, hatten sie die Atmosphäregrenze noch deutlich überragt, überzogen vom dunklen Orange der einheimischen Flechten. Dies hier war nicht der Planet, den sie verlassen hatte, und das schiere Ausmaß des menschlichen Vordringens in diesen fünfzehn Jahren war beängstigend.
    Compsons Planet war der große Witz der interstellaren Ära: Nach all den Erwartungen, der Vorfreude, den Planungen für Erstkontakte waren Compsons Kohle- und Kondensatvorkommen die einzigen Spuren komplexen Lebens, die die Menschheit auf achtunddreißig Planeten in siebenundzwanzig Sonnensystemen entdeckt hatte. Und zu der Zeit, als Menschen Compsons Planet erreichten, war von diesem Leben nichts mehr übrig außer der üppigen, vom Wind aufgewühlten Algentundra.
    Li blickte auf die ausgedehnten Spuren menschlicher Besiedlung hinunter und dachte an das wimmelnde Leben, das als Rohmaterial für die Kohlevorkommen gedient hatte. Die ersten Menschen, die hier Axt und Spaten eingesetzt hatten, waren Paläontologen und nicht Bergleute gewesen. Aus dieser Zeit war eine umfangreiche Forschungsliteratur überliefert – Bücher, die Li in ihrem engen Schlafzimmer in Shantytown eifrig gelesen hatte.
    Diese Wissenschaften waren natürlich gegen das Terraforming eingetreten. Aber die Entdeckung des ersten Bose-Einstein-Vorkommens hatte jeden Protest abgewürgt. Die Bergwerke und die genetischen Labors waren eingerichtet worden, und seit dem Tag, als der erste Atmosphärekonverter in Betrieb ging, war Compsons Planet nur noch ein wandelnder Toter. Wenn Li an das Dutzend mittels Terraforming autark ausbalancierter und gesteuerter Planeten dachte, die sie in ihrer Dienstzeit besucht hatte, fragte sie
sich, ob sie womöglich einer der letzten Menschen war, die noch eine ungezähmte Welt gesehen hatten.
    Sie merkte jetzt erst, dass Haas mit ihr redete. Sie kehrte schlagartig in die Gegenwart zurück und fragte sich, was sie verpasst hatte.
    »Die meisten Shantytown-Hexen sind reine Betrügerinnen«, sagte er gerade. »Ich habe drei Hexen gekannt, erstklassige Hexen, die tatsächlich aktive Kristalle aufspüren konnten. Und zwei von diesen Miststücken haben sie erst dann übergeben, als die ABG jedem Hinz und Kunz, mit dem sie je einen gesoffen hatten, Zugriff zugesichert hatte. Verdammte Gauner.« Er bereitete sich auf die bevorstehende Landung vor, indem er den Harnisch fest zuzog. »Und so was nennt sich Untergrund-Demokratie. Ich nenne es Diebstahl!«
    Li brummte etwas Unverfängliches.
    »He«, rief Haas dem Piloten zu. »Kannst du uns nicht irgendeinen Live-Kanal rüberlegen?«
    Der Pilot ging die Kanäle durch und entschied sich für etwas, das eine Lokalsendung aus der planetaren Hauptstadt Helena zu sein schien. Ein Reporter in Schlips und Kragen interviewte einen jungen Mann, der die Ausrüstung eines Bergarbeiters trug.
    »Also«, fragte der Reporter, »was sagen Sie zur Behauptung der ABG, dass die Forderung der Gewerkschaft nach strengeren Sicherheitsmaßnahmen nur ein Vorwand für eine

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