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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Tarnung war.

    »Ach ja, stimmt.« Haas lachte. »Passen Sie bloß auf, dass sich das nicht herumspricht, Major. Ein einkarätiges Kommunikationskondensat ist auf dem Schwarzmarkt mehr wert, als die meisten Bergleute in einem Jahr verdienen. Es gibt hier sicher viele, die Ihnen mit Freude die Schädeldecke öffnen würden, um an einen solchen Batzen Geld zu kommen.«
    Der Schacht befand sich im hinteren Teil der Kaue, hinter dem gedämpften Rasseln von Kohle, die durch Füllort-Rinnen rutschte, und unter den quietschenden Seilen der Belüftungsbatterien. Der Förderkorb roch nach Diesel, Schweiß und Moder und raste beinahe mit Fallgeschwindigkeit in den Schacht hinunter. Jemand hatte die Inspektionsluke von dem zerkratzten Metallrahmen entfernt, der an die Wand über den Steuerhebel genietet war, und durch ein hochauflösendes Holo eines Spinmagazin-Playmates ersetzt, das nichts als ihr üppiges Haar und eine blitzende neue Bergarbeiter-Ausrüstung trug.
    Li betrachtete das Hologramm, während sie der Grubensohle entgegenstürzten, und fragte sich, ob es wirklich Frauen mit solchen Brustwarzen gab. Was Frauen anging, hatten Männer manchmal einen höchst eigenartigen Geschmack.
     
    An der Grubensohle roch es wie auf einem Schlachtfeld. Dieselschwaden hingen in der Luft und mischten sich mit Gestank von Kohlestaub und Achsenschmiere. Lis Trommelfelle pochten vom gedämpften Wummern der Druckpumpen und Vulcan-Gebläse. Die Ventilatoren sorgten nicht für frische Luft, sondern verbreiteten nur den galligen Geruch von Kordit und geschmolzenen Sicherungen, der von den Abbaukanten aufstieg.
    In den Kohlestaubwolken gab es keine Horizonte, keine geraden Linien. Vermummte Bergleute platzten aus dem
Dunst hervor, klapperten über den mit Schiefersplittern übersäten Boden, und ihre Lampen schwangen wie Leuchtfeuer hin und her, bevor sie so schnell wieder verschwanden, wie sie aufgetaucht waren. Und aus den Tiefen drang wie der Lärm von Gefechten das Donnern und Krachen der Sprengungen und das Rasseln der frisch geschlagenen Kohle herauf, die durch die Rinnen rutschte.
    Auf dem Abzeichen des Feuerwehrchefs stand IHRE SICHERHEIT IST UNSER GESCHÄFT, aber sein ausdrucksloser Blick ließ erkennen, dass er dringendere Geschäfte im Kopf hatte, und er trug die Sicherheitsbelehrung im Tonfall eines Mannes vor, der ein Gerücht kolportierte, an das er selbst nicht mehr glaubte.
    Sie marschierten in einer Reihe an ihm vorbei, um sich ins Arbeitsprotokoll für die Grubensohle einzutragen und ihre Grubenlampen kontrollieren zu lassen. Als Li an der Reihe war, kritzelte er ihre Lampennummer ins Logbuch und schob ihr das kohleverschmierte Buch zu, ohne auch nur aufzublicken. Li streckte ihre Hand aus, um sie dort aufzulegen, wo die Scannerplatte sein sollte, aber dann stellte sie fest, dass es nicht einmal ein intelligentes E-Papier war. Sie hatte Mühe mit ihrer Unterschrift.
    Die neue Schicht traf pünktlich ein, als Haas’ Mannschaft sich gerade einsatzbereit machte. Die Kohleschlepper kamen wie üblich als Erste herunter. Einige sprangen gerade aus dem Förderkorb, als Li aus dem Büro des Feuerwehrchefs kam. Andere, die mit der letzten Fuhre eingetroffen waren, bereiteten schon ihre Karren vor und machten sich kundig, welche Stollen sie aufsuchen sollten. Sie bewegten sich behände, mit der leichtfüßigen Geschmeidigkeit von Kindern – und genau das waren sie auch.
    Als Li in ihrem Alter war, hatte man sie Grubenponys genannt, auch wenn in den letzten zwei Jahrhunderten
noch kein Pony einen Huf auf diesen oder einen anderen Planeten gesetzt hatte. Einige Ponys der gerade eintreffenden Schicht hatten Grubenhunde bei sich: robuste, kohleverdreckte Mischlinge, die stark genug waren, um Kohlekarren zu ziehen. Die Übrigen würden sich die Zugketten umlegen und die Karren selber ziehen. Sie arbeiteten in einer Welt menschlicher, kindlicher und tierischer Kraft. Einer Welt, in der eine ganze Familie arbeiten musste, um sich ihr Auskommen zu sichern, und Schweiß weniger kostete als Dieselöl.
    »Lassen Sie sich von denen nichts vormachen«, sagte Haas, als er hinter sie trat. »Ich habe in deren Alter auch mit den Karren angefangen. Genau an meinem zehnten Geburtstag. Sie haben ihre Chance, genau wie jeder andere. «
    »Sicher«, sagte Li, obwohl sie ihre Zweifel hatte, ob sie es glauben konnte.
    Ein Grubenpony aus der vorigen Schicht kam an ihr vorbei und zog einen Karren mit einem sorgfältig verpackten Stück aktives Kondensat.

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