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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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ein großes, zerbeultes Stück Aluminium, orange gestrichen wie alle Sicherheitshinweise. Es war der einzige Farbfleck in der Kammer, der einzige Gegenstand, der nicht dick mit Kohlestaub verbacken war. Offenbar war er erst nach dem Feuer in die Kammer gebracht worden.
    »Wer hat das hierhin gelegt?«, fragte Li und bückte sich, um die schwere Platte beiseitezuschieben.
    »Wir«, antwortete Haas. »Damit niemand dort runterfällt. «
    Li blickte zu der Stelle, an der die Platte gelegen hatte – und schaute einen Brunnenschacht hinunter.

    Er war weniger als einen Meter breit. Seilartige Bündel aus unmarkierten elektrischen Kabeln führten über den Rand und in die Tiefe. Das Wasser stand etwa sechzehn Meter unter dem Rand des Loches, und es war so schwarz, wie es nur Bergwerkswasser sein konnte.
    »Wollen Sie mir etwas darüber sagen?«
    »Nein«, sagte Haas. »Ich nehme an, Sharifi hat den Schacht gegraben. Sie hat sich nicht die Mühe gemacht und eine Genehmigung eingeholt.« Er klang verärgert, vielleicht weil er sie nicht auf frischer Tat ertappt hatte, als sie noch am Leben war.
    Li scharrte auf dem Boden herum, bis sie ein verschmortes Stück Draht fand, das lang genug war, dass man damit die Wasseroberfläche erreichen konnte. Sie tauchte das Drahtende in eine Pfütze, zog es wieder heraus und wischte es auf der nackten Haut an ihrem Unterarm ab. Ihre aktiven Pigmente flackerten kurz, zogen sich um die Tröpfchen zusammen und beruhigten sich wieder. Das Wasser enthielt offenbar nichts sonderlich Gefährliches. »Na gut«, sagte sie und schnürte sich die Stiefel auf.
    Der Sicherheitsoffizier kam noch vor Haas darauf, was sie vorhatte. »Sie wollen doch nicht wirklich da runter, Major?«
    »Versuchen Sie doch, mich aufzuhalten.«
    »Das kommt nicht infrage!«, sagte Haas.
    Er packte sie am Arm und zog sie von dem Schacht weg. Li packte seine freie Hand und drückte fest genug zu, um ihn an ihre Verkabelung zu erinnern.
    »Ich weiß Ihre Sorge um meine Sicherheit zu schätzen«, sagte sie, »aber mir wird schon nichts passieren. Oder gibt’s einen anderen Grund, warum Sie nicht wollen, dass ich dort runtersteige?«
    Als sie das sagte, ließ er sie sofort wieder los.

    »Leihen Sie mir Ihre Brille«, sagte sie zu dem Sicherheitsoffizier, als sie sich bis auf Slip und T-Shirt ausgezogen hatte und die Riemen ihres Beatmers festzurrte. Der Mann reichte ihr mit einem verwirrten Gesichtsausdruck die Brille. Li spuckte auf die Gläser, rieb sie kurz ab, setzte sich die Brille auf und drückte sie fest auf die Augenhöhlen, bis sie sich gut angesaugt hatten.
    »Gut«, sagte sie am Mundstück vorbei. »In minus zehn Minuten bin ich wieder oben. Es sei denn, dass ich was Dummes mache. In diesem Fall haben Sie eine Stunde und vierzig Minuten, um eine Rettungsmannschaft hier runterzubringen, die mich wieder rausfischt.«
    »Sie setzen eine Menge voraus«, sagte Haas.
    »Wenn ich nicht zurückkomme«, sagte Li in einem süßlichen Ton, als versuchte sie, einem Dummkopf gut zuzureden, »muss man einfach jemanden schicken. Und Sie dürfen das Bergwerk nicht eher öffnen, bis die Mannschaft hier unten ist, richtig?«
    Haas setzte sich und brummte etwas über Leute, die sich für lustiger hielten, als sie waren. Aber Li bemerkte, dass er lächelte. Er hatte Sinn für Humor, das musste man ihm lassen.
    Das Wasser war kalt, aber sauber, und als sie sich einen Überblick verschaffte, wurde ihr sofort klar, dass diese überschwemmte Höhle der eigentliche Schauplatz von Sharifis Experimenten war. Was immer sich oben ereignet hatte, war nebensächlich. Die Kammer oben war nur ein Vorzimmer, wo die Vorbereitungen stattgefunden hatten. In einem früheren geologischen Zeitalter war ein Fluss durch diese Höhle geströmt und hatte die Kohle von den Kondensatlagern gespült. Die nackten Kristalle bildeten eine komplizierte Gitterstruktur, die die Höhlendecke stützte. Gekrümmte Säulen ragten aus dem Boden wie der Brustkasten eines von Compsons längst ausgestorbenen
Sauropoden. Bleiche Kondensatfäden zogen sich über die gewölbte Decke wie Spinnweben. Und Li musste diese Ablagerungen nicht berühren, um festzustellen, dass es sich um aktive Kondensate handelte; sie pulsierten auf ihrem Quantenscanner wie ein Nordlicht. Wenn in den Bose-Einstein-Schichten des Planeten wirklich Leben existierte – ob dies der Fall war, wurde unter den UN-Xenobiologen immer noch heftig diskutiert –, dann war dies eines seiner Zentren.
    Sharifi

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