Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
Orbit geschickt, den Li sich nicht einmal vorstellen konnte. Niemand war besser darin, reich auszusehen, als reiche Liberale.
    »Hannah!«, sagte Gould mit einem Lächeln. Dann sah sie Li.
    Das Lächeln verschwand so plötzlich, als habe jemand das Licht ausgeschaltet. »Wer ist dran?«, fragte Gould, und ihr Blick war so kalt, dass sie fließendes Wasser hätte zum Gefrieren bringen können.
    Li drückte eine Hand auf die Scannerplatte unter dem Bildschirm und führte das Gespräch unter ihrer ID weiter. »Nur ein paar Routinefragen.«
    »Meinetwegen«, sagte Gould. »Aber ich zeichne dieses Gespräch auf.«
    Li blinzelte und machte ein gelangweiltes Gesicht. »Die offizielle Aufzeichnung, die durch eine Fuhrman-Verschlüsselung vor Manipulationen geschützt ist, wird Ihnen umgehend zur Verfügung stehen, Frau …«, sie machte eine Pause und tat so, als konsultiere sie das Buch in ihrer
Hand, »Gould. Schließlich ist dies keine kriminalpolizeiliche Ermittlung.«
    »Natürlich nicht«, sagte Gould, schon etwas umgänglicher.
    »In welchem Verhältnis stehen Sie zu Hannah Sharifi?«, fragte Li.
    »Ich bin ihre Cousine.«
    »Aber …«
    »Ihre Adoptivmutter war die Schwester meines Vaters.«
    »Ich verstehe. Wann haben Sie das letzte Mal mit ihr gesprochen?«
    »Ich weiß es nicht genau.«
    Das war die erste Lüge, dachte Li, als sie die karottenrote Halsschlagader bemerkte, die unter dem komplizierten Perlenmuster ihres Stammeskragens hervorschimmerte. »Wann ungefähr?«
    »Innerhalb der letzten Wochen. Wir haben oft miteinander gesprochen.«
    Li überlegte, ob sie Gould nach Sharifis »Lebensversicherung« fragen sollte, aber sie entschied sich dagegen. Information war Macht, und es war selten klug, einem Verdächtigen die eigenen Karten zu zeigen. »Hat sie Ihnen seitdem irgendetwas per Schneckenpost geschickt?«, fragte sie stattdessen.
    »Könnte sein.«
    »Ich verstehe«, sagte Li wieder. Sie konnte ihre Stimme nicht ganz von Sarkasmus freihalten.
    Eine Falte erschien zwischen Goulds hellen Augenbrauen. »Ich habe nichts zu verbergen. Sie hat mir oft Entwürfe ihrer Arbeit geschickt.«
    »Wieso? Sind Sie auch Physikerin?«
    »Ich bin ihre Redakteurin. Sie hatte zwei Bücher mit mir in Arbeit.«
    »Hatte?«

    Die Falte verschwand. »Eins ist bereits in Produktion.«
    »Hat sie ihre Manuskripte sonst auch auf Papier geschickt? «
    »Sie arbeitet nicht gern mit elektronischen Korrekturfahnen. «
    »Offenbar sehr ungern. Konventionelle Post ist sehr langsam. Und kostspielig.«
    »Sie hat schlechte Augen.«
    »Schlechte Augen?«, fragte Li. »Ein Konstrukt?«
    Sie sah Gould mit gehobenen Augenbrauen ungläubig an – mit einem Blick, der schon Deserteure in Schützengräben getrieben und starke Männer bei Verhören in die Knie gezwungen hatte.
    An Gould glitt dieser Blick ab wie Wasser. Was wieder einmal bewies, dass finstere Blicke intensiver wirkten, wenn die Möglichkeit bestand, sie mit etwas Handfesterem als nur ein paar rauen Worten zu unterstreichen.
    »War’s das?«, fragte Gould. »Ich habe wirklich viel zu tun, und wenn Sie noch ein paar Fragen zu den Lesegewohnheiten meiner Cousine haben …«
    Eine Minute später war das Gespräch beendet.
    Es stimmt, was die Leute sagen, dachte Li, als sie den Bildschirm abschaltete. Ringbewohner sind wirklich eine andere Spezies.
    Nun, eins hatte sie durch diesen Anruf zumindest erfahren. Gould hatte gelogen, was ihr letztes Gespräch mit Sharifi anging, und wahrscheinlich auch, was das Paket und Sharifis Augenlicht betraf. Aber vor allem hatte sie kein einziges Mal die Frage gestellt, die jeder Freund oder Verwandte an ihrer Stelle gestellt hätte: Wo war Sharifi?
    Li warf einen Blick auf die Uhr – 8:00 morgens, Lokalzeit. Für brave, kleine Sicherheitsoffiziere höchste Zeit, dass sie im Büro erschienen. »McCuen?«, fragte sie und schaltete ihr Komsys an.

    »Hier«, sagte eine körperlose Stimme in ihr Ohr. Die schnelle Antwort war nur dadurch zu erklären, dass er bereits an seinem Terminal gesessen und auf ihren Anruf gewartet hatte.
    Sie initiierte keine VR-Verbindung. Hätte sie darüber nachgedacht, wäre ihr vielleicht klar geworden, warum sie nicht wollte, dass McCuen sie in Sharifis Quartier stehen sah. Aber sie ließ es nicht so weit kommen.
    »Gillian Gould«, sagte sie und übermittelte ihm die Realraum-Adresse und die Stromraum-Koordinaten. »Ich will, dass sie beschattet wird. Vierundzwanzig Stunden am Tag. Ich will wissen, mit wem sie redet,

Weitere Kostenlose Bücher