Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
Vom Netzwerk:
CanCorp war einer der vier oder fünf multiplanetaren Konzerne, die Sharifis Interface produziert haben konnten – und wie ein schneller, oberflächlicher Datenabgleich zeigte, war CanCorp einer von Sharifis großzügigsten industriellen Sponsoren.
    Sie schaltete auf VR zurück, um dem Codefragment zu folgen; für den unwahrscheinlichen Fall, dass CanCorps Sicherheitsdienst diese öffentliche Seite überwachte, wollte sie wie ein gewöhnlicher Tourist erscheinen, wenn sie dort ankam. Zu ihrem Ärger wurde sie unterwegs fünfmal umgeleitet. Zuerst musste sie sich den sacharinsüßen Werbejingle für irgendeine überteuerte Gesundheitsnahrung anhören, die wie verschimmeltes Brot schmeckte. Dann einen eindringlichen Aufruf der Mormonen, vorgetragen von einem Teenager mit übernatürlich reiner Haut in einem billigen blauen Anzug mit einem Namensschild aus Plastik. Und schließlich – alles zusammen auf ein einziges, äußerst hartnäckiges Banner projiziert – eine Doku-Anzeige über das gentherapeutische Institut Heaven’s Gate, eine öffentliche Bekanntmachung über eine Listeria-Epedemie im NorAm-Sektor des Rings und eine verwirrende, alle Sinne beanspruchende apokalyptische Simulation, geschaffen von den Computer-Analphabeten irgendeiner polykonfessionellen Splittergruppe.
    Sie brachte sie Simulation mit weichen Knien und pochendem Schädel hinter sich und fluchte über die Idioten, die diese Sektierer als ernstzunehmende Religion anerkannt und ihnen Sendezeit im öffentlichen Datenstrom eingeräumt hatten. Als sie endlich die CanCorp-Seite erreichte, erfuhr sie nicht viel Neues. Aber sie fand einen Link zu einer Seite über »laufende Projekte«, auf der die Wissenschaftler der Forschungsabteilung (oder eher ihre Presseleute) geschönte Biografien und auf Halbgebildete zugeschnittene Berichte über die aktuellen Forschungen
veröffentlichten. Sie führte eine frische Suche durch und erhielt die Stromraum-Koordinaten von drei CanCorp-Forschern.
    Sie zögerte. Bisher hatte sie nur auf mäßig überwachte, öffentliche Sites zugegriffen, wo ihre Aktivitäten keine Aufmerksamkeit erregten, solang sie niemandem einen Grund gab, sich die Suchprotokolle des aktuellen Zeitrahmens näher anzusehen. Jetzt allerdings war sie im Begriff, auf sensibleres Territorium vorzustoßen. Ein Territorium, in dem sie sich keine Nachlässigkeit erlauben durfte.
    Aber natürlich war genau das der Grund, warum Nguyen sie geschickt hatte. Nguyen kannte sie. Sie hatte Li eingeschärft, dass ihre weitere Karriere von dieser Mission abhing, und dann hatte sie ihr freie Hand gelassen, weil sie wusste, dass sie den Job erledigen würde, dass sie jederzeit und überall bereit war, alles zu riskieren.
    Fünf Minuten später schickte ein unbedeutender CanCorp-Forschungsassistent eine Nachricht an den Administrator des Netzwerks. Sechs Minuten später öffnete Li unter dem Account des Administrators ein leeres Fenster und durchkämmte die internen Mailarchive von CanCorps gesamter Forschungs- und Entwicklungsabteilung.
    CanCorp war in Sicherheitsfragen sehr gründlich, musste Li mit professioneller Bewunderung anerkennen. Sie hatten gute eSec-Protokolle und scheuten nicht davor zurück, Angestellten auf die Finger zu klopfen, die sie verletzten. Wissenschaftler nahmen es mit der Sicherheit allerdings nie so genau, und CanCorps Wissenschaftler bildeten dabei keine Ausnahme.
    Drei Designer des Entwicklungsstandorts hatten Mails archiviert, in denen sie über den Prototyp eines Geräts diskutierten, das an Sharifis Wetware erinnerte. Das Projekt war vor achtundzwanzig Monaten abgebrochen worden.
Der einzige Prototyp des Interfaces war an ein Depot außerhalb des Firmengeländes geschickt worden, aus dem er, späteren Bestandslisten zufolge, einfach … verschwunden war.
    Li fluchte frustriert, tauchte für einen Moment aus dem Spinstrom auf und hatte ihr Quartier an Bord der Station vor Augen, dann tauchte sie wieder ein.
    Betrachten wir’s mal aus einer anderen Perspektive, sagte sie sich. Suchen wir nach den organischen Komponenten.
    Sie rief noch einmal Sharifis medizinische Daten ab und stellte eine Liste ihrer Aufenthaltsorte während ihrer letzten Monate im Ring zusammen. Dann verglich sie die Daten mit einer Liste aller Kliniken, die dazu berechtigt waren, die Art von interner Wetware zu installieren, die Sharifi brauchte. Ergebnis: eine diskrete und teuere Privatklinik in der Zona Camilla.
    Die Operation war über ein anonymes

Weitere Kostenlose Bücher