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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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Möglichkeit, eine Freundschaft zurückzunehmen, wenn man verraten oder enttäuscht worden war. Die Freundschaft und alles, was damit verbunden war, blieben erhalten. Sie wurde einfach unzuverlässig, wie ein verlassenes Haus; man wusste immer noch, wo die einzelnen Zimmer lagen und welche Treppen unter den Schritten quietschten, aber man vergewisserte sich bei jedem Bodenbrett, dass es nicht verrottet war, bevor man es betrat.
    Und Cohen war mehr oder weniger ein Freund geworden, ohne dass sie es bemerkt hatte. Erst jetzt, nach den Ereignissen auf Metz, war ihr klar geworden, wie wichtig es war, dass er sie nicht enttäuschte.
    Sie zahlte online ihre Rechnung und nickte dem Kellner zu, dessen glasiger Gesichtsausdruck darauf hindeutete,
dass er sein Trinkgeld checkte. Li überquerte den Zócalo und bog auf die Intracity zur Avenida Cinco de Mayo ab.
    Sie trat in eine riesige, dichte, gaffende Mengenmenge.
    Hauptsächlich Touristen, fiel ihr auf. Und sie starrten auf eine zwei Meter große Frau mit Ganzkörpertattoos und Katzenzähnen.
    Li erinnerte sich nicht an den Namen des Modells, aber sie kannte es aus den Mode-Spinvideos. Eine Boulevardberühmtheit, das Idol der hippen Ring-Jugend. Heute wurden im simulierten Sonnenuntergang Aufnahmen von ihr gemacht.
    Sie hatte sich auf einem blutroten Neodeco-Sofa ausgestreckt, zweihundert Zentimeter geschmeidiges Fleisch, und lächelte so verführerisch und hingebungsvoll in die Kamera, als ob es keine Zuschauer gäbe, die sie hinter den Scheinwerfern und Objektiven begafften. Aber Li achtete kaum darauf. Sie sah nur den Mann, der über ihr stand.
    Größer als das Model, hielt er sich knapp außerhalb des Aufnahmewinkels der Kamera. Unter seinem teuren Anzug zeichneten sich über hundert Kilo genmodifizierte Muskelmasse ab – und auch, diskret verborgen, die kantige Masse einer Moen-Pfitzer-Weste. Von seiner Schädelbuchse verlief eine Kommunikationsleitung bis unter seinen Kragen. Die Sonnenbrille hatte ausschließlich kosmetischen Zweck, eine Tarnung für die implantierte Optik, die in einem vorprogrammierten Überwachungsmuster die Menge abtastete.
    Ein gemieteter Leibwächter der Luxusklasse. Und sehr wahrscheinlich auch ein ehemaliger Friedenssoldat. Eine Menge ausgemusterter Soldaten sah sich gezwungen, ihre Fähigkeiten und Implantate in den Dienst privater Sicherheitsfirmen zu stellen.
    Die künstlichen Augen registrierten Li und hielten inne, unterbrachen das Muster. Viruflex-Linsen depolarisierten
und enthüllten flache Pupillen in einem waffenstahlgrauen Ring aus optischen Implantaten militärischen Standards. Der Leibwächter schob kurz seine Jacke zur Seite, damit Li einen Blick auf die vernickelte Impulspistole werfen konnte, die in seinem Gürtel steckte. Ein schönes Ding, das im Sonnenlicht funkelte und Li blendete.
     
    Cohen lebte in der Zona Angel, einem makellos gepflegten Viertel mit Stadthäusern, die über den ruhigsten Straßen aufragten, die man für Geld kaufen konnte. Die Häuser hier hatten Namen und Nummern, und die Straßen tauchten in keiner öffentlich zugänglichen Datenbank auf. Li wählte sich gewöhnlich direkt ein; zu Fuß unterwegs, musste sie zweimal ein Stück wieder zurückgehen, bevor sie das Haus fand.
    Es war niemand auf der Straße, den sie nach dem Weg fragen konnte; die Zona Angel war eine Enklave von Maschinen, ein Steuerparadies, in dem KIs und die wenigen kommerziell aktiven Neomenschen eigene Haushalte unterhielten, um als Ringbewohner gelten zu können. Die breiten weißen Gehwege zwischen gepflegten Blumenbeeten waren leer, und die Hälfte der Häuser hinter den bunt bemalten Rolläden vermutlich unbewohnt.
    Sie zuckte zusammen, und ihr Herz pochte, als zwei Schulkinder mit einem gestresst wirkenden Kindermädchen im Schlepptau um eine Ecke kamen. »Entschuldigen Sie«, sagte Li, aber die Frau hastete an ihr vorbei, den Blick zu Boden gerichtet, am Halsansatz eine nervös pochende Ader.
    Li hob die Hand, um die blassen Muster aus Keramstahl unter ihrer Haut zu betrachten. Es war allerdings nicht die Verkabelung, die die Frau erschreckt hatte; es war Li selbst. Auch ihre Uniform konnte die Befürchtung nicht mildern, dass ein Konstrukt in einem Viertel wie diesem
Ärger bedeutete. Li dachte an ihren letzten Einsatz im Ring zurück. War es seitdem schlimmer geworden? Oder hatte sie nur nicht mehr ein so dickes Fell?
    Sie erkannte Cohens Haus, sobald sie um die Ecke kam. Es beanspruchte einen ganzen Gebäudeblock. Jeder

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