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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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herumwirbelten und wie Schwalben durch den leeren Korridor davonschossen.

Verborgene Variablen
    ► An dieser Stelle hat sich der Leser sicher noch nicht ganz damit anfreunden können, dieses Kartenhaus zu errichten. Wir haben Korrekturmaßnahmen vorgenommen, aber was ist, wenn diese in sich fehlerhaft sind, so wie es in jedem realen System der Fall ist?
    … der »realistische« Quantencomputer sieht ganz anders aus als der idealisierte rauschfreie Quantencomputer. Letzterer ist eine lautlose, schattige Bestie, die wir nicht anschauen dürfen, bis sie ihre Berechnungen vorgenommen hat, während der andere ein unförmiges Ding ist, das wir die ganze Zeit über unsere Fehlerkorrektur-Geräte »anstarren«, doch auf eine Weise, dass die schemenhafte logische Maschine, die sich in seinem Innern verbirgt, nicht entfesselt wird.
     
    MICHELE MOSCA, RICHARD JOZSA,
ANDREW STEANE und ARTUR EKERT

Zona Libre, Bogen 17: 15.10.48.
    S ie wählte die Calle Mexico in unmittelbarer Nähe des Zócalo an. Kilometerhohe, nadelspitze Gebäude funkelten im gebrochenen Sonnenlicht und lenkten den Blick auf das sorgfältig austarierte atmosphärische Feld – und weit darüber auf die blauen Meere und weißen Eisfelder der Erde.
    Dies war das Herz des Rings, der Nullpunkt des UN-Raums, die teuersten Quadratkilometer Baugrund im bekannten Universum. Das Interface dieser Gegend war das beste, was man für Geld haben konnte: eine interaktive Multiuser-Realraum-Quantensimulation, die für praktisch jeden denkbaren Anwendungsfall von der Realität nicht zu unterscheiden war. Ursprünglich als Koterminal für die zentralen Finanzzentren konzipiert, erstreckte sich das Interface inzwischen über die gesamte Ausdehnung des Rings. Jeder mit genug Kapital für die horrenden Zugangsgebühren konnte hier eine Firma anmelden, ein Drei-Sterne-Menü essen, eine Hure mieten, eine Personensuche durchführen oder von Prada-Handtaschen bis Schwarzmarkt-Psychoware alles einkaufen, was das Herz begehrte.
    Das Getümmel fegte über Li hinweg wie eine Brandungswelle, mit all der modischen, überdrehten Erregung von achtzehn Milliarden Menschen, die im absoluten Mittelpunkt des Seins konsumierten, Geld machten und Pläne schmiedeten. Sie schaute umher und versuchte sich zu orientieren. Ein Rund-um-die-Uhr-Händler lehnte an einer interaktiven Skulptur, die die Kommission für Kunst im öffentlichen Raum aufgestellt hatte, überflog den Papierstreifen,
der aus einem virtuellen Fernschreiber kam, und machte schnelle Order-Gesten auf einem Börsenparkett, das nur er sehen konnte. Touristen und Firmenkonkubinen hasteten mit Designer-Einkaufstaschen an ihr vorbei und quasselten in die eleganten Headsets externen VR-Equipments.
    Nur zum Spaß wechselte Li auf die numerische Ebene, um zu sehen, wer real war und wer nicht. Die Hälfte der Menschen verblasste daraufhin zu komprimierten Codepaketen, digitalen Gespenstern, Simulacra. Sie zoomte im Vorbeigehen in das eine oder andere Codepaket – und war erstaunt darüber, wie viele Personen kosmetische Programme laufen hatten. Ihr eigenes Interface beschränkte sich aufs Nötigste. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, sich so sehr mit dem eigenen Aussehen zu beschäftigen, dass man kaum noch Zeit für etwas anderes hatte. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte sie es ungern zugegeben. Die Menschen in der Zone sahen das offenbar anders.
    Sie überquerte den Zócalo, ging am Kriegsdenkmal vorbei und schob sich durch die allgegenwärtigen Massen von Schulkindern, die sich um das Mahnmal der Wächter der Erde scharten.
    »Und hier«, erklärte eine Holo-Dozentin gerade, als Li vorbeiging, »sehen wir eine Zeitrafferaufnahme von der Entstehung und Ausbreitung des künstlichen Gletschers. Achtet einmal darauf, wie sich im Laufe der Aufnahme das Wettermuster ändert. Auf den ersten Bildern gibt es in der Subsahara und den Großen Nordamerikanischen Wüsten praktisch keine Niederschläge, während sich auf den späteren Bildern die Niederschlagsregion aus den Schneefeldern des Amazonasbeckens nach Norden verschiebt und von den Strahlströmen ausgeweitet wird. Dies führt einen mikroklimatischen Wandel herbei, von dem wir annehmen,
dass er den Zylus der postindustriellen Desertifikation unterbrechen und es uns am Ende erlauben wird, die rekonstruierten Genome wieder freizusetzen, die in den Datenbanken der Wächter der Erde gespeichert sind. Stellt euch vor, in weniger als zweitausend Jahren werden wieder Menschen

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