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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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kaute vorsichtig.
    Es stellte sich heraus, dass die Weintraube nicht unbedingt nach Weintrauben schmeckte. Sie hatte eine zähe, bittere Haut. Und als sie zwischen ihren Zähnen zerplatzte, trat ein saftiges Fruchtfleisch hervor, in dem scharfe, nach Holz schmeckende Partikel eingebettet waren.
    »Pass auf die Samen auf«, sagte Cohen, als sie sich an einem verschluckte. Er beobachtete sie aufmerksam und erwartete offenbar irgendeinen Kommentar.

    »Sie schmecken, äh, gut«, sagte sie und nickte.
    »Du bist eine schauderhafte Lügnerin.«
    »Du hast recht. Sie sind scheußlich. Um nicht zu sagen gefährlich. Warum sollte jemand einen solchen Mist essen?«
    Und schon befanden sie sich wieder auf dem sicheren Boden alter Gewohnheiten. Metz war verpackt und weggesteckt. Sie würden einfach so weitermachen, als hätte dieser Vorfall nie stattgefunden. Das war die äußerste Annäherung an eine Entschuldigung, die man Cohen überhaupt abnötigen konnte. Oder auch Li, was das anging.
    Sie unterhielten sich den ganzen Nachmittag, während lange Streifen von gefiltertem Sonnenlicht durch das Arbeitszimmer wanderten und dabei die klaren Blau- und Gelbtöne des usbekischen Teppichs hervorhoben. Auf die Weintrauben folgten echter Tee, echtes Teegebäck, echte Créme fraîche und kleine grüne und weiße Scheiben Brunnenkresse-Sandwiches. Für Cohen gab es keinen so unverschämten Luxus wie echten Tee – ob im Strom- oder im Realraum.
    Nachdem sie sich zu einer Kanne Tee alle privaten Neuigkeiten, allen Klatsch und allen politischen Tratsch erzählt hatten, setzte Cohen seine Tasse ab und sah sie an. »Bist du dir eigentlich bewusst, dass du damals fast ums Leben gekommen wärst?«
    »Ach, hör schon auf!«
    »Du warst eindeutig und komplett auf null.«
    »Unsinn«, erwiderte sie. Sie hatte wirklich nicht gewusst, dass es so ernst gewesen war.
    »Was wäre passiert, wenn ich nicht dort gewesen wäre? Weißt du, ich kann nicht immer den Prinzen spielen, der auf einem weißen Pferd herbeigeritten kommt und dich rettet.«
    »Ich glaube, in deinem Fall ist es eher so, dass du mit einer handgedrehten Zigarre lässig herbeischlenderst,
um mich zu retten. Ich habe dich übrigens nie darum gebeten. «
    »Stimmt.« Cohen klang gereizt. »Ich kenne dich zu gut, als dass ich Dank erwarten würde. Aber lass uns einfach dafür sorgen, dass es nie wieder dazu kommt, einverstanden? «
    »Wie kommst du eigentlich darauf, dass es kein zufälliger Angriff war?«
    »Interessiert es dich vielleicht, dass das Signal durch die Feld-KI der Anakonda-Bergbaugesellschaft geroutet wurde?«
    Li riss die Augen auf. »Das ist unmöglich«, sagte sie nach einer Pause. »Die Feld-KI ist auf null gegangen, als das Bergwerk explodiert ist.«
    »Das«, erklärte Cohen, »ist nur die offizielle Version, die das Sekretariat herausgegeben hat, um die Öffentlichkeit zu beruhigen. Die KI ist noch quicklebendig. Zumindest macht sie den Eindruck, auch wenn man es erst genau weiß, sobald jemand mit ihr Kontakt aufgenommen hat.« Er zündete sich eine Zigarette an und betrachtete Li durch die Rauchwirbel. »Aber die KI spricht nicht mit uns.«
    Li sah ihn misstrauisch an. »Woher weißt du davon?«
    »Ich bin zufällig persönlich daran interessiert. Und einige meiner Kollegen auch.«
    »Mit anderen Worten: die EBKL.«
    »Mhm. Das Sekretariat scheint unter dem Eindruck zu stehen, dass wir die Feld-KI der ABG irgendwie, äh, befreit haben.«
    »Und stimmt das?«
    »Natürlich nicht. Wirklich nicht.« Er rollte die Augen. »Du hast dir zu viele billige Interaktive reingezogen.«
    »Na gut«, sagte Li. »Du hattest also nichts damit zu tun. Wie weit vertraust du den anderen KIs bei der EBKL?«

    Er musterte sie herablassend. »Diese Frage verrät eine fast menschliche Abgestumpftheit. Es ist keine Frage des Vertrauens. Es ist eine Frage der Informationsaustauschprotokolle. Und außerdem: Worauf willst du eigentlich hinaus? Feld-KIs sind Zombies. Hast du schon einmal die Rückkopplungsschleifen gesehen, mit denen sie programmiert werden? Man kann sie kaum als intelligent bezeichnen.«
    »Wer steckt sonst dahinter?«
    »Warum voreilige Schlüsse ziehen? Vielleicht steuert die Feld-KI sich selbst.«
    »Du willst damit sagen, sie ist böse geworden?«
    »Oh, was für ein scheußliches Wort«, sagte Cohen, den Blick zur Decke gerichtet. »Das hört sich so an, als wäre eine KI, die ihren eigenen Code steuern will, mit einem wild gewordenen Elefanten zu vergleichen.«
    Li

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