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Lichtspur

Lichtspur

Titel: Lichtspur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Moriarty
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getränkt worden war, bis er groß genug war, um ihre Haut zu sprengen und ganze Universen zu verschlingen.

Shantytown: 19.10.48.
    C ompsons Sonne warf ein schmieriges, flaschengrünes Licht über Shantytown und funkelte lustlos über das trostlose Gewimmel moderzerfressener Häuserdächer. Die fehljustierten Atmosphärekonverter erzeugten einen rußigen Nieselregen, der den Eindruck erweckte, als befände sich Shantytown unter Wasser, und der Matsch, der sich an Lis Stiefeln festsaugte, verströmte einen schwachen Abwassergeruch.
    Li folgte McCuen vorbei an Leihhäusern, Tätowiersalons und Plakaten, die für Bürgschaften und Kassendarlehen gegen
Gehaltsschecks warben. Dieser Bezirk hatte keinen Anschluss ans Grid, und statt Bildern aus dem Spinvideo sah man überall Neon- und Halogenreklamen. DIE ZECHE, las Li irgendwo, und ZAHLTAG und BERGMANNSKLAUSE und MÄDCHENMÄDCHENMÄDCHEN.
    Die erste Schicht war am Werk; man merkte es an der erwartungsvollen Ruhe in den Bars, dem Fehlen robust gebauter Männer auf den Straßen. Doch als sie die Gewerbemeile verließen und sich in die Hinterstraßen begaben, erregten sie zunehmend Aufmerksamkeit. Eine Rotte blasser, zerlumpter Kinder unterbrach ihr Ballspiel und starrte sie an. Eine Frau, die gerade vom Kohlesammeln auf den Abraumhügeln heimkam, drehte sich um und sah ihnen hinterher. Als Li den Blick erwiderte, sah sie, dass sich ihr Körper unter der Last verbogen hatte.
    McCuen bewegte sich so zielsicher von einer unausgeschilderten Kreuzung zur nächsten, als hätte er eine Karte. Jede Straßenecke entfernte sie weiter vom Tageslicht und führte sie tiefer in die ärmsten Viertel von Shantytown hinein. An die Stelle modularer Wohneinheiten traten mit Virustahl und verwitterten Keramikfliesen verkleidete Landekapseln aus der Zeit der Erstbesiedlung. Hier und dort funktionierten sogar noch die Luftschleusen, und blinkende Leuchtdioden signalisierten die Betriebsbereitschaft der lang nicht mehr benutzten Lebenserhaltungssysteme. Meist jedoch waren die Überbleibsel der ursprünglichen Kolonie nur noch technische Artefakte, die unterste Schicht einer sedimentartigen Anhäufung von veralteter Technik und selbst gebastelten oder ergaunerten Gerätschaften.
    Gerade als Li sich zu fragen begann, um wie viele unübersichtliche Straßenecken und durch wie viele unbeleuchtete Seitenstraßen McCuen sie noch führen würde, duckte er sich zwischen zwei Fassaden hindurch, stieg drei Stufen hinunter und schlüpfte in eine Gasse, die derart
eng war, dass sich über ihren Köpfen fast die Mauern berührten.
    Zu beiden Seiten der Gasse gingen Türen ab, doch sie waren alle versperrt. Die wenigen Fenster waren mit Brettern vernagelt oder mit Plastikplanen verdeckt. Aus den Häusern drang der schale Geruch von Fleischersatz und setzte sich in dem gepressten Lehmboden fest. Und durch diesen Geruch konnte Li noch andere Gerüche wahrnehmen, die sie schlagartig zwanzig Jahre in ihre Kindheit zurückversetzten. Schweiß. Gestautes Abwasser. Leere Bierflaschen. Armut.
    McCuen ging zügig und behielt die schattigen Winkel im Auge wie ein Mann, der sich nicht ganz sicher ist, ob man ihn nicht wegen seines Handimplantats überfallen könnte. Er fuhr mit der Hand die rechte Wand entlang und zählte die Türen wie ein Bergmann die Stollenbiegungen. An der achten Tür blieb er stehen und drückte die Klinke.
    Die Tür schwang auf, und er duckte sich ohne Zögern unter dem Rahmen hindurch. Li folgte ihm.
    Sie eilten durch einen dunklen Korridor auf einen fernen Fleck von Tageslicht zu. Der Korridor führte sie in einen Innenhof mit einem groben, abschüssigen Boden. Eine Seite des Hofs war ruhig und dunkel, und Treppen führten zu den abgedunkelten Wohnungen hinauf. Die andere Seite öffnete sich zu einer Schweißerwerkstatt. Sie stiegen die eine Stufe zu der Werkstatt hoch, als der Schweißer gerade ein Blechstück durchschnitten hatte, sich aufrichtete und die Schutzbrille zurückschob.
    McCuen ging auf den Mann zu und zog eine verbogene Türangel aus der Tasche. »Meine Mutter hat mich gebeten, Ihnen das hier vorbeizubringen«, sagte er, und seine Stimme hallte unter der hohen Decke der Werkstatt. »Können Sie das reparieren?«
    »Wann braucht sie es denn?«

    »Bis Freitag etwa, sagte sie.«
    Statt zu antworten, legte der Mann den Schweißbrenner weg und ging zum Eingang der Werkstatt. Li und McCuen sahen zu, wie er ein »Geschlossen«-Schild vor die Tür hängte und schwere Sturmjalousien

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