Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

er wollte sich natürlich nicht zu sehr beeilen; das hätte ihm selbst nur zum Schaden gereicht.

    Der Alarmton – ein beständiges Trommeln, das schon fast im Unterschallbereich lag – kam für ihn nicht unverhofft. Seit ihrem Abflug von Ironbloom waren mehrere Tage vergangen, und Honigtau hatte ihm dringend geraten, dass er sich an den für ihn bereitgestellten Gel-Sessel anschnallen sollte, obwohl der Höhepunkt des Bremsvorgangs bald überschritten wäre. Eigentlich ergab das wenig Sinn, da auf ein Bremsmanöver normalerweise Schwerelosigkeit folgte; nichtsdestotrotz schnallte er sich an, sobald der Alarm ertönte, und wartete ab.
    Nachdem er eine halbe Stunde untätig in dem Gel-Sessel ausgeharrt hatte, fing er an, sich zu langweilen. Er überlegte, ob man ihn vielleicht auf die Oberfläche irgendeiner anderen Welt im Night’s-End-System herunterbrachte, möglicherweise an den Ort, an dem sich das Wrack verbarg.
    Doch jählings wich die Schwerelosigkeit einer Gravitation, die ein wenig größer war als die null Komma acht terranischen g, die auf Redstone herrschten. Er wusste, dass sie nicht beschleunigten, also mutmaßte er, dass sie sich in einem künstlichen Gravitationsfeld des Typs befanden, das die Shoal gern benutzten.
    Er vertrieb sich die Zeit damit, über seine Optionen nachzusinnen. Ob Honigtau ihm ein Wort von dem glaubte, was er ihm vorgeflunkert hatte, vermochte er nicht zu entscheiden, aber seit seinem Erlebnis mit der Piri Reis hatte man ihn im Großen und Ganzen sich selbst überlassen.
    Doch anstatt sich damit zu beschäftigen, die Protokolle, die er sabotiert hatte, zu rekonstruieren, widmete er sich hingebungsvoll der Aufgabe, festzustellen, was mit der Piri Reis passiert war, und ob den verwirrenden Änderungen an ihren Hauptsystemen irgendein Zweck innewohnte.
     
    Irgendwann einmal hievte sich Corso aus seinem Gel-Sessel heraus und stellte sich aufrecht hin; ihn überkam das Gefühl, eine
Million winziger Hände versuchten, ihn auf den Boden herunterzuzerren. Bald darauf betraten zwei Bandati den Raum und schleppten ihn von seinem Arbeitsplatz fort. Die Bandati hatten keine Übersetzungsgeräte dabei, deshalb traktierten sie ihn minutenlang erfolglos mit einem Schwall aus Klicklauten, ehe sie ihn kurzerhand bei den Schultern packten und ihn durch die Schiffskorridore bugsierten.
    Das Spiel ist aus, dachte er. Sie wissen, dass ich sie hereingelegt habe.
    Er merkte ziemlich schnell, dass man ihn zu den Eindockbuchten zurückführte, in denen die Piri Reis lag, doch dieses Mal schleiften sie ihn in einen viel größeren Hangar, der völlig leer war bis auf eine enorme Skulptur aus zerklüftetem schwarzen Glas, das die Ausmaße eines ganzen Häuserblocks besitzen musste.
    Aber bei genauerem Hinsehen erkannte er, dass er keineswegs eine Skulptur vor sich hatte, sondern ein Schiff, dessen Bauweise ihm völlig fremd war.
    An einer Seite des Schiffs öffnete sich eine Luke, und etwas schob sich hindurch. Etwas großes, böse aussehendes. Es erinnerte ihn an eine Kreuzung aus Elefant und Seegurke – und dieses absonderliche Wesen schien wütend zu sein. Es kam auf sie zugerannt, wie um anzugreifen, und in Corso machte sich ein schier überwältigender Fluchtinstinkt breit.
    »Bleiben Sie ganz still stehen«, sagte eine Stimme hinter seiner Schulter.
    Er kämpfte mit seinen beiden Bewachern, verzweifelt bemüht, sich in irgendeine kleine, sichere, dunkle Ecke zu flüchten, wo er sich vor dem riesigen, zornig wirkenden Monster verstecken konnte. Trotz seiner Panik hatte er mitbekommen, dass oben auf dem Ungetüm eine winzige Gestalt hockte, doch diese Wahrnehmung trug nicht dazu bei, seine Angst zu verringern.
    Obwohl die Wachposten ihn mit eisernem Griff festhielten,
gelang es ihm, sich so weit umzudrehen, dass er sehen konnte, wer ihn angesprochen hatte. Direkt hinter ihm stand Honigtau und starrte an Corso vorbei auf das Ungeheuer. Auch er blickte wieder nach vorn und sah zu, wie es sich ihnen im Galopp näherte, ehe es endlich, glücklicherweise, wenige Meter vor ihnen haltmachte.
    Corso stand vor einem gewaltigen, sabbernden Maul, das von zwei nach innen gekrümmten Stoßzähnen flankiert wurde. Ein mit Dornen gespickter Rückenschild panzerte den Oberkörper der Bestie, die den Eindruck erweckte, sie könne ohne weiteres einen Tyrannosaurus Rex aufspießen, vorausgesetzt, der T-Rex wäre so unvernünftig, sich beim Anblick dieses Scheusals nicht schleunigst aus dem Staub zu machen. Was aus