Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
gesprochen.
Und nicht nur das – er kannte diese Stimme, konnte sie nur noch keiner bestimmten Person zuordnen.
»Ich glaube schon«, hörte er Honigtau antworten.
»Und sie kann das tatsächlich bewerkstelligen? Sich das Wrack einfach … schnappen und damit irgendwohin fliegen?«, fuhr die menschliche Stimme fort.
Der Akzent war Redstone Old Colonial: vornehm und kultiviert, eine Aussprache, die von einem privilegierten Lebensstil zeugte.
»Die Resultate unserer früheren Befragungen lassen diesen Schluss zu. Alles deutet darauf hin, dass sie in der Lage ist, das Wrack zu kontrollieren und mithin zu stehlen – falls wir keine Möglichkeit finden, sie daran zu hindern.«
»Aber ein solcher Coup wäre doch offensichtlich nicht zu realisieren …«
»Sie hat bereits ein Wrack zerstört. Wenn es einen Weg gibt, zu unterbinden, dass sie dieses Schiff ebenfalls vernichtet, müssen wir alles daransetzen, dieses Mittel zu entdecken.«
»Ja, sicher, aber müssen Sie deshalb gleich zu solchen Methoden greifen? Das ist doch … barbarisch !«
Sal?
Sal.
Sal, der mit ihm zum Feuersee gefahren war, als er sich dazu entschlossen hatte, Bull Northcutt zu töten. Sal, der zu seinen ältesten Freunden gehört hatte, und den er zum letzten Mal sah, als er, Lucas Corso, aus dem Cockpitfenster eines Helikopters blickte, der im Begriff stand, von einem unter einer Eisdecke liegenden Seeufer auf Redstone abzuheben. Es kam ihm vor, als lägen diese Erinnerungen eine Million Jahre zurück.
»Sal!«, heulte Corso, als er plötzlich wieder tiefer in die Grube hinabgelassen wurde. Er schielte nach oben, schwindelig von dem Blut, das sich in seinem Kopf staute, und nahm lediglich einen Kreis aus fahlem Licht wahr, der den oberen Rand des Schachtes markierte.
Sein Hals war wundgeschrien, so dass er nur noch ein heiseres Ächzen hervorwürgen konnte, deshalb hörte er umso deutlicher, wie sich ihm das Ungeheuer näherte. Er roch seinen bestialisch stinkenden Atem, der in ihm noch mehr Ekel erzeugte als die fauligen Ausdünstungen der glitschigen Wände.
Der Wurm sprang in die Höhe und schnappte nach ihm, und erst im allerletzten Moment wurde das Energiefeld eingeschaltet. Corso kniff fest die Augen zusammen und betete, er möge ohnmächtig werden, denn er wollte nicht noch einmal zusehen, wie der Schlund des Monsters sich zusammenzog, in dem Versuch, den ihn umhüllenden Schutzschirm zu zerquetschen.
Der Wurm glitt in seine Höhle zurück, und die Feldgeneratoren wurden deaktiviert. Wieder einmal.
Als hätte der Wurm nur darauf gelauert, schnellte er just in dem Moment wieder vor und sog ihn in seinen Rachen hinein. Und abermals wurde Corso erst im letzten Augenblick gerettet.
Corso versuchte, um Gnade zu flehen, aber seine Kehle fühlte sich an wie rohes Fleisch, und er brachte nur ein unartikuliertes Stammeln zustande.
Der Wurm wich abermals zurück.
»- Gottes willen, jetzt reicht es aber!«, hörte er Sal schreien. »Wenn Sie ihn umbringen, kann er uns nichts mehr nützen!«
»Er hat uns absichtlich getäuscht. Haben Sie eine Ahnung, wie viele Bandati seinetwegen sterben mussten?«
Man fing an, ihn aus der Grube hochzuziehen. Das Energiefeld flimmerte und blieb dieses Mal eingeschaltet.
»Die Erlaubnis, ihn zu foltern, kam direkt vom Konsortium«, hörte er Honigtau sagen. »Und von Ihren eigenen Vorgesetzten. Wenn ich mich nicht irre, dann haben auch Sie diesem Prozedere zugestimmt, weil Sie angesichts der besonderen Sachlage die Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen einsahen …«
»Ja, sicher, aber so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Diese Methode ist … ist …« Er verhaspelte sich.
»Ich glaube, der Begriff, nach dem Sie suchen, lautet notwendig.«
Hände reckten sich Corso entgegen und zogen ihn aus der Grube.
Eine Nova-Drohne nach der anderen, die der Händler in der Nähe von strategisch wichtigen Systemen innerhalb der Hauptkampfzone des Langen Kriegs platziert hatte, erhielt nun ihr Aktivierungssignal. Daraufhin hüpften die Drohnen in den Normalraum hinein und wieder aus ihm heraus wie Steine, die man über die ruhige, spiegelglatte Wasserfläche eines Sees springen lässt, während sie auf ihre jeweiligen Zielsterne zusteuerten.
Die erste Drohne, die ihren Bestimmungsort erreichte, drang tief in das stellare Zentrum einer kleinen Sonne ein, die seit dreieinhalb Milliarden Jahren in einem steten Feuer brannte und löste eine tödliche Phasenverschiebung aus, die binnen weniger Stunden eine
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