Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War

weit er wohl kommen würde, wenn er versuchte zu fliehen. Doch sofort stellte sich ihm die Frage, wohin er sich überhaupt flüchten konnte, ganz auf sich
allein gestellt in einer fernab gelegenen Raumstation, in der eine Horde extrem feindseliger Aliens hauste.
    Honigtau gab seinen Kämpfern ein Zeichen, und zwei von ihnen steuerten auf Corso zu. Dessen Selbsterhaltungstrieb obsiegte, und er rannte los. Während er den Hügel hinunterhetzte, flog ein dunkler Umriss über ihn hinweg, und er wurde zu Boden gestoßen. Rechts und links von ihm landeten zwei Bandati und schleiften ihn wieder den Hügel hoch, in Richtung des Kuppelbaus.
    Erst jetzt sah er, dass die Kuppel einen schmalen Eingang hatte, kaum breiter als ein Spalt. Man zwängte ihn hindurch, und in dem geschlossenen Raum wurde das Geräusch ihrer Schritte von den Wänden als Echo zurückgeworfen. Im Inneren des Gebäudes war es dunkel und kühl. Ein schweres, kreisrundes Gitter war in den Steinboden eingelassen, und genau darüber baumelte das Tau, das von der außen angebrachten Winde durch die Öffnung in der Decke eingeführt wurde; am Ende des Taus war ein wuchtiger Haken befestigt. Von einer aus der Wand herausragenden Stange hingen außerdem ein paar dicke Ketten.
    Honigtau betrat als Letzter die Kuppel, und er begab sich unverzüglich zu Corso.
    »Verraten Sie uns jetzt in allen Details, wie Sie die Protokolle sabotiert haben?«
    Corso beäugte das in einem Haken endende Tau und das darunter liegende Gitter. »Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt. Ich versichere Ihnen, dass ich nicht das getan habe, was Sie mir unterstellen. Mir ist genauso schleierhaft wie Ihnen, warum die Emissäre sich so eigenartig verhalten haben, aber ich schwöre bei meinem Leben, dass mich keine Schuld trifft.«
    »Ach so.« Honigtau bog seine Flügel durch. »Nun, dann haben Sie halt Pech gehabt. Nichtsdestotrotz sehe ich mich gezwungen, meine Pflicht zu erfüllen.«
    Honigtau gab seinen Soldaten, die sich ebenfalls in der Kuppel
versammelt hatten, einen Wink, begleitet von wenigen knappen Klicktönen. Die Bandati holten ein paar von den Ketten, die lose an der Stange pendelten, und fesselten Corso damit, nachdem sie ihn auf die Knie gezwungen hatten. Anfangs wehrte er sich, bis ihn ein heftiger Schlag in den Nacken traf und ihm fast das Bewusstsein raubte. Hustend und stöhnend sackte er vornüber, während die schweren Kettenglieder um seine Arme, die Brust und die Beine geschlungen wurden. Danach trat ein anderer von Honigtaus Kriegern vor und fing an, eine Reihe daumengroßer Objekte an den Ketten, in die Corso eingewickelt war, zu befestigen.
    Ein Bandati marschierte zu einem elektronischen Paneel in der Wand und tippte mit der Hand darauf. Das aus dem Deckenschlitz hängende Tau sank herunter, bis der Haken klappernd gegen das Metallgitter prallte. Man schleifte Corso nach vorn und rastete den Haken in die Ketten ein, die seine Füße zusammenbanden.
    Dann wurde das Gitter zur Seite gezogen, und Corso schrie in panischem Entsetzen auf, als man ihn mit dem Kopf nach unten in die Grube hinunterließ, die sich unter dem Gitter verborgen hatte. Ein schleimiger, grünlich brauner Rasen aus Algen bedeckte die Wände, und die Luft, die Corso entgegenschlug, war übersättigt mit einer Vielfalt von fremdartigen, unangenehmen Gerüchen. Während er sich vor Angst die Lunge aus dem Leib schrie, verließen Honigtau und die übrigen Bandati eilig den Kuppelbau und ließen ihn allein in der Dunkelheit zurück.
    Die Ketten saßen so straff, dass er Mühe hatte zu atmen, und er spürte, wie sich das Blut in seinem Kopf sammelte und mit einem gedämpften Pochen durch seine Schläfen rauschte.
    Das einzige Licht, das in die Kuppel hineinsickerte, kam durch den schmalen Schlitz, der den Eingang darstellte, und die Deckenöffnung für das Tau. Corsos keuchende Atemzüge hallten in dem schmalen Trichter der Grube wider. Was hatten sie mit
ihm vor – wollten sie ihn ertränken? War die Grube mit Wasser gefüllt?
    Dann hörte er aus der lichtlosen Tiefe ein dumpfes Brüllen und scharrende, schleifende Geräusche. Nahezu gleichzeitig erklang scheinbar aus dem Nichts Honigtaus Stimme über einen Lautsprecher.
    »Schauen Sie bitte nach oben, Lucas. Können Sie die Geräte erkennen, die wir an Ihren Ketten befestigt haben?« Die Worte dröhnten durch die Finsternis und die Leere.
    »Was?« Corso verbog seinen Hals und linste angestrengt in die Höhe. »Es ist zu dunkel. Ich sehe überhaupt nichts