Lichtzeit - Gibson, G: Lichtzeit - Nova War
aus Angst, man könnte sie dort noch viel leichter entdecken und wieder gefangen nehmen als an der Oberfläche.
Ansonsten wollte sie sich einfach auf ihre Intuition und ihr Improvisationstalent verlassen.
Sie zwang sich dazu, ruhig und gleichmäßig zu atmen, dann klemmte sie einen Fuß in eine Kerbe in der Wand gleich neben dem Sims. Beim Blick in die Tiefe stülpte sich ihr der Magen um. Mit dem anderen Fuß trat sie gegen eine sich vorwagende Larve, während sie sich gleichzeitig mit den Händen am Rand der Türöffnung festhielt.
»Ihr könnt mich mal!«, schrie sie als Antwort auf das wütende Fauchen der beiden Kreaturen, die sie in der Zelle zurückließ.
Das führende Luftschiff schob sich immer näher an den Turm heran, und dann – endlich – gewann es an Höhe und schwebte zu ihr empor. Sie stemmte sich vom Sims ab, krallte Finger und Zehen in die schmalen Furchen, die die Wand durchzogen, und beobachtete voller Anspannung jede Bewegung des Luftschiffs.
Eine Sirene heulte los, und das schrille Jaulen brach sich in den gewaltigen Straßenschluchten der Stadt.
Mittlerweile waren die Larven fauchend und maunzend auf dem Sims angelangt, auf dem Dakota noch vor wenigen Augenblicken gekauert hatte. Aus ihrer zögerlichen Art, die dunkle Zelle zu verlassen, und wie sie dann ziemlich rasch wieder umkehrten und sich in die Schatten des Raumes flüchteten, schloss Dakota, dass die Tiere das Sonnenlicht mieden.
Ihr fiel ein, was Moss gesagt hatte, ehe er verschwand. Sie, Dakota, sollte dazu dienen, die Bandati von seinen eigenen Aktivitäten abzulenken; er benutzte sie gewissermaßen als Köder für eine Art Phantomjagd, damit er selbst ungehindert seine persönlichen Ziele verfolgen konnte. Er wollte sie aus dem Weg schaffen, während er versuchte, seine eigenen obskuren Pläne mit dem Wrack zu verwirklichen. Nichtsdestotrotz hatte er ganz eindeutig den Eindruck vermittelt, dass er aus Gründen, die Dakota noch nicht bekannt waren, für den Hive Immerwährendes Licht arbeitete.
Und was ihre Implantate betraf – nun ja, sie spürte selbst, dass
sich irgendetwas verändert hatte. Seit diese fürchterlichen Migräneanfälle abgeflaut waren, fühlte sie intensiv das Vorhandensein einer Präsenz, als verberge sich hinter dem Maschinenbewusstsein des Wracks noch eine viel stärkere und mysteriösere Macht.
Je tiefer sie in die Geheimnisse des fremden Sternenschiffs eindrang, umso mehr Fragen stellten sich ihr, auf die sie keine Antwort wusste.
Sie blickte auf den Schleppzug hinunter, der sich vor der Wand ihres Turms in die Höhe schob. Weitere Sirenen fingen an zu blöken und stimmten in das aus der Ferne herüberwehende Jaulen ein, und der misstönende, seltsam klagende Lärm füllte das Flusstal aus.
Nur noch ein paar Sekunden, nur noch ein paar Sekunden …
Egal, welche Veränderung in ihrem Schädel stattgefunden haben mochten, ihre Implantate erhielten die Informationen, auf die es ankam; sie holten sich Daten aus den Wetterbeobachtungsstationen der Bandati sowie aus anderen Quellen und benutzten diese, um exakte Kalkulationen anzustellen. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Windgeschwindigkeit, der örtlichen Schwerkraft und der nötigen Kraftanstrengung, würden sie ihr den genauen Zeitpunkt mitteilen, an dem sie in die Tiefe springen konnte, um unbeschadet auf dem Luftschiff zu landen.
All diese Informationen bündelten sich in ihr, indem sie so etwas wie eine instinktive Vorahnung erzeugten. Im richtigen Moment würde sie einfach wissen, wann sie sich von ihrem prekären Halt an der Wand abstoßen musste und wie viel Schwung erforderlich war. Und sobald sie in Aktion trat, würde das Wrack ihren Sprung in die Freiheit so steuern, dass ihr nichts zustieß.
Aber warum zum Teufel jaulten die Sirenen? Doch nicht etwa ihretwegen? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie eine derart massive Bedrohung darstellte, um einen generellen Alarm auszulösen -
Sie riss den Kopf hoch, als weit über ihr am Himmel ein greller Blitz aufflammte, der sie beinahe blendete. Irgendetwas durchstieß die Wolkendecke und raste auf die Stadt zu …
Ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle, als sie vor Schreck ihren Halt lockerte und ein Stück abrutschte, ehe sie sich wieder festkrallen konnte. Unter ihr kragten Plattformen aus der Wand, aber sie lagen so tief, dass sie sich mit Sicherheit das Genick brechen würde, wenn sie dort aufprallte.
Es gab noch mehr Lichtblitze, nun allerdings dichter über der
Weitere Kostenlose Bücher