Lieb mich schoener Fremder
genommen. Ihm war klar gewesen, dass Jen gehen würde. Er wünschte nichts mehr, als sie wieder zu sehen. Was natürlich unmöglich war. Aber zumindest musste er ihren richtigen Namen wissen, nicht dieses lächerliche Pseudonym, das sie sich auf dem Weg in sein Zimmer ausgedacht hatte.
Dann die Überraschung, als er die Visitenkarte überflog. Irgendwie hatte es ihn gefreut, dass sie nicht total gelogen hatte - zumindest, was ihren Namen betraf. Jennifer Hannah, Repräsentantin der Personal-Agentur "Helping Hands".
Er schnaubte verächtlich. Was für ein Name! Er war erstaunt, dass auf der Karte außer der Telefonnummer auch eine Adresse angegeben war. Aber wahrscheinlich gab es landesweit Hunderte von Callgirl-Ringen, die unter irgendwelchen Decknamen liefen, wie zum Beispiel Partnervermittlungsagenturen, Massage-Institute und Begleit-Service-Agenturen.
Eine schreckliche Vorstellung, dass Jennifer für solch ein "Unternehmen" arbeitete. Was war in ihrem Leben passiert, das sie so tief gesunken war? Und wenn sie schon gezwungen war, sich auf diese Weise Geld zu verdienen, warum verlangte sie dann so wenig? Für eine Frau mit ihrem Aussehen und ihrer Eleganz waren fünfzig Dollar viel zu wenig - besonders in einem Luxushotel wie diesem. Das wusste sogar er, ein völliges Greenhorn auf dem Gebiet.
Er kippte einen Schluck Whisky hinunter und wanderte im Zimmer auf und ab. Nicht nur die Sache mit dem Geld verwirrte ihn, sondern auch ihr widersprüchliches Verhalten.
Einerseits schien sie als Prostituierte viel Erfahrung zu haben. Sie hatte ihn glauben gemacht, dass ihr Begehren echt war, und seine Bedürfnisse und Vorlieben genau erspürt. Keine Frau nach Diana hatte ihn so angetörnt.
Aber da waren auch Dinge, die ihn an ihrer Professionalität zweifeln ließen. Als sie ging, hatte sie entsetzlich elend ausgesehen. Fast so, als ob sie bereute, dass sie ihn verließ. Sogar Angst hatte er in ihren Augen bemerkt. Sie war so durcheinander gewesen, dass sie beinahe vergaß, ihren Lohn zu fordern. Ebenso merkwürdig war die Tatsache, dass sie ihre angebliche Verabredung mit einem anderen Kunden erfunden hatte.
Frustriert und angewidert, dass sie direkt aus seinem Bett zu einem anderen Mann ging, war er nach ihrem Abzug auf den Balkon getreten, um sich in der kühlen Nachtluft zu beruhigen.
Und dann hatte er sie unten auf dem Parkplatz erblickt, auf dem Weg zu ihrem Wagen.
Fast sah es nach einer verzweifelten Flucht aus. Ihm fiel nur eine Erklärung für ihr rätselhaftes Verhalten ein. Sie war neu in dem Job. Der niedrige Preis, ihr anfängliches Zögern, ihre Angst, als er das Licht löschte. Und dann der Katzenjammer. Die Reue. Die Lüge. Die zurückgehaltenen Tränen. All das passte.
Aber wenn sie neu in dem Gewerbe war, warum war sie dann in der Lobby weggerannt?
Als Neuling konnte sie hier noch kein Hausverbot haben. Andererseits schien es plausibel, dass eine Anfängerin panikartig die Flucht ergriff, wenn sie sich von einem vermeintlichen Hotelangestellten beobachtet fühlte.
Ob er ihr erster Freier gewesen war? Falls ja, war sie genau genommen erst eine Prostituierte geworden, als er ihr das Geld gab.
Hätte er es bloß nicht getan!
Verdammt! Was war mit ihm los, dass seine Gedanken fortwährend um diese Frau kreisten?
Er trank seinen Scotch aus, duschte und ging ins Bett. Aber ihr Bild verfolgte ihn bis in seine Träume, wo er sich von ihrem Freier in ihren Zuhälter verwandelte und sie fremden Männern anbot.
Kurz vor Morgengrauen wachte er schweißgebadet auf, gepeinigt von den widerwärtigen Bildern seines Albtraums. Er ertrug die Vorstellung nicht, dass sie sich verkaufte, verkraftete den Gedanken nicht, dass er möglicherweise den letzten Anstoß dazu gegeben hatte. Plötzlich durchzuckte ihn ein furchtbarer Gedanke. War es möglich, dass sie für einen Zuhälter arbeitete? Hatte ihre Angst mit einem brutalen Ausbeuter zu tun?
Er warf fluchend die Decke zurück und stand auf, um zu duschen. Es gab keinen Grund, sich wegen dieser Frau das Hirn zu zermartern. Was immer sie für Probleme hatte, es war nicht seine Angelegenheit.
Als er sich abtrocknete, dachte er noch immer an sie. Er rasierte sich, und seine Gedanken kreisten immer noch um sie. Als er fertig angezogen war, wurde ihm klar, dass es eine unumstößliche Tatsache war - er konnte Jennifer Hannah nicht vergessen. Er musste ihr helfen.
Der Anruf, auf den Jennifer gewartet hatte, kam früh am Montagmorgen.
"Warum wollen Sie wegziehen,
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