Liebe 2.0
der
Redaktion, als ich mir vorkam wie ein willenloses Stück Metall, das ohne jede
Wahl von Max angezogen wurde. Allerdings war die Sache damals rein körperlich,
während ich nun nicht umhin kann, mich mehr und mehr in Magnetos Gedankenwelt
zu verlieren. Und so schön dieses neue Gefühl der Nähe auch ist, so weiß ich
nicht, ob ich deswegen lachen oder weinen soll – ganz genau so wie in Wildes
Märchen…
„Das Schöne an
Wildes Geschichten ist, dass man oft nicht weiß, ob man weinen oder lachen
soll“, sagt Max da in diesem Moment.
Ich schlucke.
Okay. Jetzt wird es irgendwie gruselig.
Um mir nichts
anmerken zu lassen, lenke ich schließlich das Gespräch von Oscars Schreibkunst
zurück auf Max’ Schoß, auf dem sich noch immer sein halber Haushalt befindet.
Großzügig gestatte ich meinem Sitznachbarn, alles bis auf das Fahrtbier zurück
in den Rucksack zu packen. Er hat die Leibesvisitation mit Bravour bestanden,
und ich frage mich ernsthaft, warum ich die ganze Zeit so eine Angst hatte, Max
kennen zu lernen.
„So, dann würde
ich mal sagen: Auf die Fahrt!“ Und mit diesen Worten hole ich mein eigenes
Fahrtbier hervor und stoße damit gegen Max’ Flasche.
„Ach nee!“ ruft
Max überrascht und strahlt plötzlich über das ganze Gesicht. Dann hebelt er mit
einem geübten Kantenschlag unser Bier auf und erwidert meinen Toast. „Auf die
Fahrt!“
Einträchtig
lassen wir uns zurück in unsere Sitze fallen und genießen den selbst gemachten
Luxus zweiter Klasse.
„Und – wo fährst
du jetzt genau hin?“, frage ich nach einer Weile.
„Nach Berlin.
Ein Kumpel von mir wohnt da seit letztem Semester und hat mich eingeladen. Und
du?“
„Ich auch! –
Also, ich fahre auch nach Berlin. Ebenfalls eingeladen. Das ist ja lustig!“ Ich
nehme einen kleinen Schluck aus meiner Flasche. „Hätte nicht gedacht, dass du
ein so großer Hasselhoff-Fan bist! Oder geht ihr gar nicht zum Brandenburger
Tor?“
Max grinst.
„Doch, natürlich tun wir das.“ Herausfordernd blicken mich die Gletscheraugen
an. „Und: Wessen Fan bist du, dass es dich noch vor Jahresende in die
Hauptstadt zieht?“
Fan – das wäre
natürlich auch noch eine mögliche Bezeichnung für das bislang Unbenennbare
zwischen Martin und mir. Fan, Jünger – Groupie? Ich nehme noch einen kräftigen Schluck,
bevor ich antworte.
„Martin Egger,
der Autor von Herbststurm , gibt eine Lesung im Viktoria “, erkläre
ich schließlich. „Wir haben uns seit dem Interview für Totallokal im
Herbst angefreundet, und weil wir beide für Silvester noch keine Verabredung
hatten, haben wir beschlossen, es gemeinsam zu verbringen.“
Ich gebe zu, das
klingt jetzt platonischer, als es eigentlich ist. Aber irgendetwas in mir
sperrt sich, meinem neu gewonnenen Freund zu erzählen, dass ich ein Date mit
einem wunderbaren, aufregenden Mann habe. Warum? Ist das etwa verwerflich? Oder
bin ich vielleicht einfach noch nicht so weit? – Weder mit Max, noch mit
Martin?
„Wo ist
eigentlich Astrid?“, versuche ich mal wieder abzulenken und dabei gleichzeitig
eine Antwort auf die Frage zu erhalten, die mich schon beschäftigt, seit Max
sich neben mich gesetzt hat. Der guckt mich jedoch nur irritiert an.
„Wieso?“
„Wie wieso?“
Jetzt bin ich es, die irritiert schaut. „Ich dachte, ihr würdet Silvester
zusammen verbringen.“
Max Augen werden
immer größer. „ Warum sollten wir? “
Gerade, als ich
antworten will, ertönt aus Max’ Rucksack eine Melodie – ein hübsches Lied, das
mir irgendwie bekannt vorkommt. Es ist ein richtiger Ohrwurm, und während mein
Sitznachbar nach seinem Handy kramt, überlege ich fieberhaft, wie es heißt und
woher ich es kenne. Dann fällt es mir wieder ein: Es ist das Titellied der CD,
die Astrid mir zum Schrottwichteln geschenkt hat und die ich mir für die Feiertage
versuchsweise auf meinen mp3-Player gezogen habe. Noch nachdem Max längst
abgehoben hat, summe ich den Refrain leise vor mich hin und spitze zeitgleich
neugierig die Ohren. Doch es scheint nur der Kumpel aus Berlin zu sein, denn
ich höre Dinge wie „bisher alles reibungslos“ und „Komme in einer Stunde an.“
Schließlich legt Max auf und wendet sich wieder mir zu. „Wo waren wir?“
„Das Lied kenne
ich“, sage ich. „Das ist The Reason , stimmts?“
Max zeigt sich
beeindruckt. „Du verblüffst mich immer mehr!“
Doch bevor ich
ihn aufklären kann, woher ich mein Wissen habe, redet er auch schon weiter.
„Das ist wiederum mein
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