Liebe 2.0
man wohl Gleichberechtigung.
Gegen halb 2 Uhr
hat sich das Shakers zunehmend geleert, genau wie unsere letzte
Getränkerunde. Astrids Augen werden immer kleiner, und auch ich muss krampfhaft
ein Gähnen unterdrücken. Wir sind halt echt nicht mehr die Jüngsten!
„Okay, Leute,
ich muss ins Bett. Und zwar, wie es aussieht, allein. Welch’ eine
Überraschung!“ Astrid gibt Aragorn hinter der Bar ein kurzes Zeichen, umarmt
mich, gibt Max einen Kuss auf die Wange und macht sich auf den Weg.
„Sollten wir sie
nicht begleiten?“, fragt Max.
Ich muss sagen,
diesen Gentleman der alten Schule, den mag ich wirklich sehr an ihm. „Keine
Sorge“, beruhige ich ihn, „die hat hier Heimvorteil. Siehst du das Haus da
gegenüber?“ Ich zeige durch das große Fenster in die Nacht hinaus. „Da wohnt
sie auch schon.“
„Ach so, das
erklärt Einiges!“
„Was denn?“
„Na, zum
Beispiel, wieso sie zu einer Lady’s Night geht, wenn sie das Konzept
verurteilt.“
„Ja, das ist
Astrid“, lache ich, „Die eigenen Prinzipien nur soweit vertreten, wie sie sich
mit dem Wunsch nach Bequemlichkeit vereinbaren lassen.“
„Ist vielleicht
gar nicht so dumm!“ Max lacht auch.
„Sag mal, wo ist
denn eigentlich deine Truppe abgeblieben?“ Ich zeige in die verwaiste Ecke, wo
als einziger Zeuge der illustren Herrenrunde eine blonde Kunsthaarperücke
zurückgeblieben ist.
„Keine Ahnung. Aber wenn ich will, finde ich die schon. Wofür gibt es
schließlich Handys?“ Max geht rüber zum Tisch, steckt die Perücke ein, kommt zu
mir zurück, bietet mir seinen Arm, den ich in meinem benebelten Zustand gerne
annehme, und gemeinsam verlassen wir das Shakers .
„Und was machen
wir jetzt?“, fragt Max unternehmungslustig.
„Also, ich
schließe mich Astrid an und gehe ins Bett – allein!“, füge ich
sicherheitshalber an, als ich Max’ Augenbraue zucken sehe. „Denn ob du es
glaubst oder nicht, ich habe schon die letzte Nacht wenig Schlaf bekommen.“
„Ach, ehrlich?
Was hast du denn so getrieben?“
„Och, weißt du,
nichts Spektakuläres…“
Unser Geplänkel
zieht sich eine ganze Weile so hin, während wir die Hauptstraße entlanggehen.
Es macht Spaß, und ich fühle diese betrunkene Unbeschwertheit, für die man in
der Regel am nächsten Morgen mindestens mit einem Brummschädel, wenn nicht gar
Schlimmerem bezahlen muss. Aber was soll’s. Umsonst ist nicht mal der Tod.
„Sag mal, was
ich dich fragen wollte…“, beginnt Max schließlich, als wir an einem kleinen
Park vorbeikommen.
„Hm hm?“ Ich
nehme alles nur durch einen wohligen Schleier wahr. Die kühle, aber klare
Nacht. Das Plätschern des Brunnens. Das schummrige Licht… Wahrscheinlich werde
ich deshalb so unvorsichtig, denn normalerweise bin ich bei Fragen auf der Hut.
Berufskrankheit. Schließlich weiß ich nur zu gut, dass manch unüberlegte
Antwort einen schnell in Teufels Küche bringen kann.
„Was Astrid da
heute gesagt hat, ist das wirklich wahr?“
„Was?“
„Dass du um ein
Haar geheiratet hättest.“
Mit einem Schlag
zerreißt der Schleier, und ich fühle mich im wahrsten Sinne des Wortes
ernüchtert. „Nun, ich denke, Astrid hat sich doch ziemlich deutlich
ausgedrückt, oder?“
„Was ist
passiert?“
Eine Weile
laufen wir stumm nebeneinander her. Welche Ironie des Schicksals! Ausgerechnet
das einzige menschliche Wesen, das es geschafft hat, meinen auf Dauerbetrieb
geschalteten Fragenapparat vorübergehend zum Schweigen zu bringen, setzt ihn
jetzt höchstpersönlich wieder in Gang. Und dann auch noch in Form einer
Grundsatzdiskussion. Was passiert ist? Das wüsste ich selbst nur zu gerne…
„Entschuldige,
aber das geht dich nun wirklich nichts an.“ Ich blicke Max direkt in die Augen
und bin aufgrund der ernsten Situation plötzlich vollkommen immun gegen seinen
Charme. Doch Max zuckt nicht mal mit der Wimper.
„Schade, ich
hätte es wirklich gerne gewusst. Aber ich habe Zeit. Und die gebe ich dir
gerne.“
Irritiert
blinzele ich ihn an. Wie hat er das nun schon wieder gemeint? Doch aus
irgendeinem Grund traue ich mich nicht, nachzufragen.
Neun
Seit unserem Abend im Shakers sind fast zwei Wochen vergangen. Zwei Wochen, in denen nicht wirklich viel
passiert ist – sieht man einmal davon ab, dass mein One-Night-Stand mit Max
sich mittlerweile zu einem Three-Nights-Stand ausgeweitet hat. Ich weiß auch
nicht genau, wie es dazu kommen konnte, aber ich sagte ja bereits, dass unser
Verhältnis nicht gerade das
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