Liebe 2.0
zumindest er
selbst mit seinem lässigen Chic und der verlebten Art irgendwie gut aussieht.
„Nun“, beginnt
er, und seine Schultern zucken noch immer vor Nachfreude, während er sich mit
der rechten Hand am Hinterkopf kratzt und seine kreativ zerzausten, blond
ergrauten Haare noch mehr in Unordnung bringt. „Tatsächlich sieht er wohl gar
nicht so schlecht aus – soweit ich das als Mann beurteilen kann. Inwieweit
jedoch sein Lesepublikum, das laut Verlag tatsächlich zu fünfundachtzig Prozent
aus weiblichen Lesern besteht, nur sein Foto im Klappentext anstarrt, statt das
Buch auch zu lesen, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es wie so oft die
Mischung, die es macht!“
Eine typische
Journalistenantwort. Ich frage mich, für wen er arbeitet. Doch bevor ich die
Frage weitergeben kann, hat sich eine Mitarbeiterin vom Buchladen an ihn
herangepirscht und flüstert ihm etwas ins Ohr. Während sie Unverständliches mit
ihm bespricht, lässt er mich keine Sekunde aus den Augen. Dann bedankt er sich
bei der Dame und wendet sich wieder mir zu. „Entschuldigen Sie bitte, aber ich
muss los. Ich freue mich darauf, mit Ihnen später weiter zu sprechen! Viel Spaß
bei der Lesung!“
Gerade als ich
ihn fragen will, wie er darauf kommt, dass ich nach der Lesung Zeit für ihn
habe, wo ich doch das Interview halten muss, steigt er zusammen mit der
Mitarbeiterin auf die Bühne. Mit schwant Übles. O nein. O nein, nein, nein! Nein!!
„Meine Damen und
Herren, ich präsentiere Ihnen: Martin Egger.“
Elf
„Und dann?“
Astrid schaut mich mit großen Augen an. Ich kenne diesen Gesichtsausdruck. Den
gleichen hat sie, wenn sie Bruce Willis-Filme guckt. Da können auf der Leinwand
ganze Städte in Schutt und Asche gelegt werden, und sie dürstet nach mehr.
Völlig gebannt. Hin und weg.
Es ist mal
wieder Samstagabend, und wir sitzen auf meinem halbierten Mobiliar, wo wir uns,
dem Motto meiner Wohnung entsprechend, eine Flasche Wein teilen.
„O Astrid, ich
kam mir so verarscht vor!!!“ Ich stehe auf und gehe zur Küchenzeile, um
uns nachzuschenken. Den heutigen Abend gestalten wir stilvoll. Wo schon das
Niveau meines gestrigen Auftritts zu wünschen ließ… Mit letzter Kraft lasse ich
mich zurück auf den gegenüberstehenden Stuhl gleiten. „Ein Albtraum! Ich kam
mir vor wie Bridget Jones. Scheint ja ein echter Weiberheld zu sein…. kann
der auch optisch was? Ich hoffe bloß, ich blamiere mich nicht total! Arrrghhh!“
Als hätte ich
die Situation nicht längst überstanden, durchleide ich jede einzelne Phase noch
einmal, wie beim Therapeuten. Vielleicht hilft es mir ja bei der Verarbeitung.
Irgendwann. Vorerst jedoch schlage ich frustriert mit dem Kopf gegen die
Tischplatte, wieder und wieder.
„Und dann?“ Die Voyeurin
in Astrid bleibt unbeeindruckt. Sie will Fakten. Sie will mein Blut.
Ich nehme einen
tiefen Schluck Chardonnay und konzentriere mich. „Dann hielt er ganz
locker-flockig seine Lesung ab. Die, glaube ich, ganz gut war. Zumindest haben
die Damen um mich herum viel gelacht. – Vielleicht hat er aber auch nur die
Story von zuvor zum Besten gegeben… Ich habe, ehrlich gesagt, die erste halbe
Stunde nicht viel mitbekommen. Danach ließ das Rauschen in meinen Ohren nach
und ich konnte einigermaßen zuhören...“
„Hast du das
Interview wirklich noch gehalten?“ Astrids Augen blitzen regelrecht vor
Sensationslust. Es wird höchste Zeit, dass sie bei irgendeinem Boulevardmagazin
anheuert.
„Na, was hätte
ich denn machen sollen? Sven hätte mir den Kopf abgerissen!“
Ehrlich gesagt
wäre mir das ziemlich egal gewesen. Wenn Sven plötzlich die Kotzerei kriegt,
kann es jedem passieren – und eine angebliche Magen-Darm-Grippe wäre vor der
Redaktion bei weitem weniger peinlich gewesen als die Wahrheit. Aber so
masochistisch es klingen mag: Ich hatte das dringende Bedürfnis, noch einmal
mit Herrn Egger als Herrn Egger zu sprechen. Zum einen, um meinen ersten
Eindruck wieder gut zu machen; das war ich mir und meinem Stolz schuldig. Zum
anderen jedoch wollte auch ich von ihm einen zweiten Eindruck erhalten. Und
einen dritten. Vielleicht auch noch einen vierten. Zu sagen, dass mich an dem
Mann irgendetwas von der ersten Sekunde an fasziniert hat, wäre untertrieben.
Aber das muss Astrid ja nicht wissen.
„Immerhin hatte
ich noch eine Galgenfrist, denn nach der Lesung gab es zunächst Autogramme und
gemeinsame Fotos – das ganze Promotion-Prozedere halt. Dann gab’s noch
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