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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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Trotzdem
scheint Ihre Art zu schreiben ja etwas zu haben, das die Leute anzieht. Etwas, das
sie nicht nur unterhält, sondern auch beschäftigt.
    EGGER: Ich
versuche halt, das Allgemeine mit dem Besonderen zu verbinden, so dass jeder,
der will, sich in meinen Figuren wieder finden kann. Oder sagen wir besser:
Jeder, der schon mal geliebt hat. 
    ICH: Hmmm. (Pause) Ein ambitioniertes Unterfangen, wenn ich das so sagen darf.
    EGGER (lächelt): Aber es lohnt sich.
    ICH: Was hat
es dabei mit den Jahreszeiten auf sich? Frühlingsgefühl, Sommersonnenwende,
Herbststurm – ist der Winter als logische Folge bereits in Arbeit?
    EGGER: Tatsächlich
war spätestens mit dem zweiten Band Sommersonnenwende das Ganze als
Tetralogie geplant. Wobei ich jedoch sagen muss, dass mir der winterliche
Abschluss im Vergleich zu allem Vorangegangenen die größten Probleme bereitet.
    ICH: Wieso?
    EGGER: Mit den Monaten assoziieren wir alle eine gewissen
Grundstimmung, die auch meine jeweiligen Romane trägt. Während Frühlingsgefühl
sehr jugendlich-naiv gehalten ist, ja ich würde sagen rauschhaft daherkommt, ist Sommersonnenwende bereits in sich gekehrter – es
markiert eben jenen Wendepunkt in Denken und Fühlen, den man im so genannten
‚Sommer seines Lebens’ spürt. Es ist irgendwie süß und ermattend, wie ein
heißer Sommertag – kein Vergleich zum überdrehten Frühling. Und doch ist er
zweifellos aus genau diesem hervorgegangen…
    Ich bin gerade dabei, ganz
prosaisch die schmutzigen Teller in meinen mini Geschirrspüler zu räumen, als
mich angesichts dieser Feinsinnigkeit eine Mischung aus Neid und Bewunderung
durchflutet. Wie schafft man das? Nicht nur, dass Martin Egger gut schreibt. Er
redet fast noch besser.
    Seufzend mache ich die Klappe zu, warte mit dem Anstellen jedoch, bis das
Interview vorbei ist.
    … Demgegenüber ist der Herbststurm plötzlich von einer ganz neuen Dynamik erfüllt, fast wie ein letztes Aufbäumen
vor dem Winter. Ich will aber nicht von Midlife-Crisis sprechen, denn der
Begriff ist so ausgelutscht und außerdem viel zu trivial, um all das zu
beschreiben, was einen Menschen zu diesem Zeitpunkt seines Lebens bewegt. Es
geht hier nicht um schnelle Autos, junge Freundinnen und Haarimplantate,
sondern um weit Grundlegenderes. Eben das, was uns in allen Lebensphasen immer
wieder anders umtreibt und beschäftigt. Freundschaft, Beruf, Sex, Glück, die
menschliche Natur. Nennen Sie es, wie Sie wollen. (lange Pause) Aber was
passiert mit dieser Natur im Winter? Da bin ich mit mir noch nicht so ganz im
Reinen. Zwar habe ich ein paar Ideen, aber die sind alle so negativ. Zu
endgültig. Während sonst immer noch was kam, bildet der Winter den
Schlusspunkt. Die Natur ist eingefroren und steril. Irgendwie tot. Auch wenn
man es eigentlich besser wissen sollte. (Schweigen)
    ICH: Hmmm… Aber… betrachtet man die Jahreszeiten schlussendlich wieder
als das, was sie sind – nämlich ein Kreislauf – dann ist der Winter doch gar
nicht mehr endgültig… Ich meine, zuletzt ist die Gefühlsbreite der Jahreszeiten
doch immer wieder erlebbar – und zwar in jeder einzelnen Liebe. Liebesrausch,
Behaglichkeit, Zweifel, Erkalten. Aber es geht weiter. Irgendwie geht es immer
weiter. Das muss es doch. Oder?...
    Ich stehe
regungslos inmitten der Küche und lausche befremdet meinen eigenen Worten. Sie
klingen so optimistisch, und man könnte fast meinen, dass ich sie selbst
glaube… – Nun, wer weiß? Schon so manches Lippenbekenntnis ist zu einer
Religion geworden. Es heißt doch nicht umsonst Am Anfang war das Wort. Mit etwas Glück kommt vielleicht eines Tages der Glaube hinzu.
    EGGER(überrascht): Das ist ein wirklich guter Gedanke! (aufmerksamer Blick) Sie scheinen
für Ihr Alter schon Einiges erlebt zu haben. (Pause) Sie sind klug. Klug
und süß. (lächelt) Eine angenehme Mischung. Trifft man selten! 
    ICH (knallrot
und irritiert den Kopf schüttelnd): Ähhh, Dankeschön auch. (auf meinen
Block starrend, suchend) Ähm… Herr Egger! Nach meinen Informationen sind Sie
promovierter Psychologe…
    EGGER (lächelt
noch breiter): Da sind Sie trotz aller Zeitknappheit und Improvisation ganz
richtig informiert.
    ICH: Äh, ja!
Also. Was ich mich frage: Wie kommt man darauf, sich plötzlich hinzusetzen, den
Hörsaal Hörsaal sein zu lassen und Romane zu schreiben?
    EGGER: Inspiration.
Reizüberflutung, wenn Sie so wollen. Ich habe im Laufe meiner Arbeit so viele
Leben kennen gelernt, und dazu ist auch mein eigenes nicht

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