Liebe 2.0
dilettantische Episoden, die entweder
ganz gestrichen oder aber komplett umgearbeitet gehören. Und als sei das nicht
schon schlimm genug, kann ich bei einigen Passagen schlichtweg nicht
einschätzen, ob sie gut sind oder nicht. Ob ich sie drin lassen soll oder nicht.“
Ich denke an Max. Und an das, was ich vielleicht just in diesem Moment anzettele.
„Und das macht die ganze Sache noch komplizierter. Eine Operation am offenen
Herzen quasi.“ Ich verstumme.
„Und du meinst,
dass ich dir dabei helfen kann?“, fragt Martin schließlich in mein Schweigen
hinein. „Assistieren? Tupfer reichen? Das Besteck zählen, bevor wir den
Patienten wieder zunähen?“
„Ehrlich gesagt
weiß ich nicht, was ich meine – das ist ja mein Problem.“ Frustriert schüttele
ich den Kopf. „Aber es ist halt so, dass ich nach unserem Treffen noch lange
nachgedacht habe…“
Martin grinst
und lehnt sich, die Arme hinter den Nacken verschränkt, zufrieden zurück. Er
hat, was er wollte. Aber das gebe ich ihm gerne, schließlich will ich auch etwas
von ihm. Auch wenn ich noch nicht weiß, was genau das ist.
„… aus welchem
Grund auch immer!“, füge ich deshalb an.
„Suchst du einen
Freund oder einen Seelenklempner?“ Martin beugt sich wieder vor und greift nach
seinem Bier.
„Nun, auch wenn
mir ein Seelenklempner mit Sicherheit nicht schaden würde, so hatte ich da
weniger dich im Sinn.“ Ich lache nervös. „Ich denke, ich schätze vor allem deine
Intelligenz. Mir imponiert deine Art und wie du das Leben betrachtest. Ob ich allerdings
auch mit dem Menschen dahinter umgehen kann oder will, kann ich so nicht sagen.
Dafür kenne ich dich schließlich zu wenig.“
Martin nickt
langsam. „Ich muss sagen, mir imponiert wiederum deine Ehrlichkeit. Das ist
selten, gerade in meinem Beruf.“ Er nimmt erneut einen Schluck. „Als ich dir
damals sagte, du seiest sowohl süß als auch klug, war das kein bloßes
Balzgehabe…“
Ich werfe ihm
einen skeptischen Blick zu.
„Okay, gut,
natürlich wollte ich auch mit dir flirten.“ Mit einer abfälligen Geste fegt
Martin diesen Umstand vom Tisch. „Aber ich habe es auch durchaus ernst gemeint.
Ich meine, würde ich mich noch so gut an unser Interview erinnern, wenn du mir
egal gewesen wärst? Ich stecke mitten in der Lesetournee und treffe jeden Tag
hundert neue Leute. Ob man will oder nicht – irgendwann verschwimmen die alle
zu einer gesichtslosen Masse. Alle – bis auf deine Wenigkeit.“
Obwohl mein
gesunder Menschenverstand diese Aussage nüchtern als Schmeichelei enttarnt,
muss ich zugeben, dass Martin seine Sache echt gut macht. In meine Skepsis
mischt sich ein Hauch von Anerkennung, während er unbeirrt fortfährt.
„Ich weiß nicht
genau, was das ist mit dir. Aber ich würde es gerne herausfinden, schon aus
beruflichem Interesse. Wie formulierte mein Kollege Hannibal Lector es so treffend? Quid pro quo – du zeigst mir deine Welt und ich dir meine. Und wer weiß?
Vielleicht ist das ja der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?“ Er zwinkert
mir zu, während er sein Glas hebt. „Schauen wir mal, was wir zwei so alles
miteinander anfangen können.“
Ein Meister der Doppeldeutigkeit. Darauf stoßen wir an.
Kurze Zeit später kommt der Kellner
mit unserem Essen, und es sieht wirklich gut aus! Ich habe mir Spinatnudeln in
Gorgonzola-Sauce bestellt – eine weitere Absicherung für mich, heute Abend keinen
Flirt zuzulassen. Schließlich gibt es kaum einen größeren Romantik-Killer als Spinatfäden
zwischen den Zähnen! Doch obwohl ich nur zu gerne zulangen und Martin ein
grasgrünes Lächeln schenken würde, lässt mich mein Appetit plötzlich im Stich. Mit
einem Mal erscheint es mir unerträglich, vor Martin auch nur einen Bissen zu
essen. Als hätte ich an diesem Abend schon viel zu viel von mir preisgegeben,
so dass mein Bedürfnis nach Nahrung die einzig verbliebene Schwäche ist, die
ich noch verbergen kann – und muss. (Tatsächlich kann ich es selber kaum
glauben, mit welch unverfrorener Offenheit ich Martin gegenübergetreten bin.
Aber auch wenn meine Aktion der puren Verzweiflung entsprungen ist, so heiligt
am Ende der Zweck die Mittel. Könnte ich nur ein Fitzelchen von Martins Ruhe
und Abgeklärtheit in meine eigene Hektik bringen, wäre schon viel gewonnen.)
Ich muss leise
würgen. Allein der Geruch von Käse und Knoblauch bewirkt, dass meine
Speiseröhre das „Besetzt“-Schild aushängt: Geschlossene Gesellschaft . Mein
Magen gibt vor, noch
Weitere Kostenlose Bücher