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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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den Eimer. Auch wenn ich mal wieder keinen Appetit habe,
so sollte ich dringend etwas essen, und seien es auch nur drei aufgeplatzte
Maiskörner mit einem Löffel Zucker, die sich in meinem Mund postwendend in
einen klebrigen Brei verwandeln.
    „Meinst du denn,
wir kommen gleich wieder in die Handlung rein?“, frage ich nach einiger Zeit
stillschweigenden Kauens.
    Astrid wirft mir
einen Blick zu, als habe ich nicht alle Tassen im Schrank. „Julia. Es handelt
sich hier um Twilight , nicht um Krieg und Frieden. Abgesehen
davon kann ich dir den ersten Teil in aller Kürze erklären, den habe ich
nämlich selber vor einiger Zeit schon geguckt.“
    Jetzt ist es an
mir, sie anzuschauen wie ein Auto.
    „Hey, was
soll’s, ich hatte Liebeskummer!“, rechtfertigt sich Astrid prompt, und
eingedenk meiner eigenen Highschool Musical -Phase werde ich still. Wer neben
Zac Efron sitzt, sollte nicht mit Robert Pattinson werfen. Oder so ähnlich. Und
daher gebe ich versöhnlich zu, immerhin die Hälfte von Bis(s) zum
Morgengrauen gelesen zu haben. (Meine Mutter hatte es mir ausgeliehen, aber
irgendwann ging mir dieser ganze Beschützergestus von Edward Cullen dann doch auf
die Nerven. Ich meine, natürlich wünscht sich jede von uns einen, der auf sie
aufpasst, wenn sie mal in eine falsche Seitenstraße abbiegt. Einen, der als deus
ex machina plötzlich auf der Bildfläche erscheint, am besten noch in einem supercoolen
Auto, um uns vor der Welt zu retten. – Oder, wie in meinem Fall, vielleicht
auch vor uns selbst… Aber das gibt man doch nicht so offen zu!)
    „… zumindest
gibt es da diese superböse Ober-Vampirin…“, schreckt Astrid mich aus meinen
Gedanken hoch. Ich habe keine Ahnung, seit wie vielen Minuten sie mich bereits
in die Handlung nach Seite 206 einführen will, aber da sie vorhin selbst gesagt
hat, dass der Wiedereinstieg nicht allzu schwer sei, bin ich optimistisch, ihn
auch mit halber Konzentration zu bewältigen.
    „… heißt Victoria
und sieht ein bisschen so aus wie du. Erst recht, seit du so blass um die Nase
bist. Mal ehrlich, geht es dir nicht gut?“ Plötzlich blickt Astrid richtig
besorgt drein, so dass ich mich genötigt sehe, betont munter abzuwehren.
    „Nein, nein, ist schon alles in Ordnung!“ Ich schlürfe den letzten Rest
aus meinem Fläschchen und greife nach Astrids, um beide zu entsorgen. „Lass mal
wieder reingehen. Sonst verpassen wir am Ende noch was!“
    Tatsächlich hätten wir rein gar
nichts verpasst – zumindest nichts, womit meine schmutzige Phantasie etwas
anfangen könnte. Der Film ist so unschuldig wie sein Zielpublikum, und doch
bleibe ich skeptisch. Wer soll das bitte glauben? So eine
Keuschheit, so eine Beherrschung – gerade zu Beginn einer Beziehung? Und dann auch
noch mit so jemandem wie Robert Pattinson?! Auf der anderen Seite klingt das
Konzept, das hier verfolgt wird, allerdings gar nicht mal sooo verkehrt. Denn schließlich
ist es viel bequemer, seine Wünsche und Sehnsüchte auf einen geheimnisvollen
Fremden zu projizieren und diesen so lange wie möglich auf Sicherheitsabstand
zu halten, als wahre Nähe zuzulassen und sich mit einem echten Menschen aus
Fleisch und Blut (haha) auseinanderzusetzen. Das kann doch keiner wollen!
    Nähe wird
überschätzt, das war schon bei Romeo und Julia so. Die beiden gelten als das
ultimative Liebespaar, nicht nur für meine Mutter. Dabei hatten sie kaum Zeit,
sich wirklich kennen zu lernen. Die paar heimlichen Treffen fallen wohl kaum
ins Gewicht. Und auch wenn sie sich gemeinsam gegen zwei verfeindete Clans
behauptet haben (was sicherlich verbindet), so mussten sie doch niemals
beweisen, dass ihre Liebe auch gegen die Tücken des Alltags bestehen kann.
Nämlich dann, wenn man plötzlich nicht mehr miteinander gegen die verhasste
Schwiegermutter kämpft, sondern gegeneinander um die Diagonale des neuen
Flachbildfernsehers. 37 Zoll oder 42 Zoll? LED oder Plasma? Auch wenn die
Werbung des Elektronikfachhandels das Gegenteil behauptet: Geil ist
daran nichts! Und ich hege arge Zweifel, ob Bella ihren Edward immer noch so
vergöttert, wenn sie eines Tages rauskriegt, dass er seine Freizeit wie jeder
andere stinknormale Mann am liebsten im Baumarkt verbringt und am Wochenende
die Sportschau guckt.
     
     
     

Siebenundzwanzig
    In der Pause bricht im Foyer wieder
das komplette Chaos aus. Während Astrid sich dem Wettlauf zu den Toiletten
angeschlossen hat, stehe ich plötzlich mutterseelenallein inmitten hunderter
fremder

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