Liebe 2.0
immer mit der Verdauung der drei Orangen beschäftigt zu
sein, die ich heute Morgen gegessen habe – was für eine Arbeitsmoral! Und so
erfüllt sich das Klischee am Ende doch: Ladylike schiebe ich meine Nudeln von
einer Ecke in die andere, ziehe einzelne Spinatfäden in die Höhe und versuche,
sie zu Kringeln und Schleifen zu drapieren, während Martin es sich sichtlich
schmecken lässt. Neid!
Abseits kulinarischer Freuden jedoch wird der Abend noch richtig nett. Martin
erzählt mir ein bisschen von seiner bisherigen Lesetour und ihren kuriosen
Zwischenfällen, und ich gebe ihm bereitwillig ein paar Einblicke in den tragikomischen
Alltag einer freien Mitarbeiterin beim Lokalradio. Am Ende wissen wir scheinbar
alles und doch nichts voneinander. Safer Talk . Ich bin begeistert.
Sechsundzwanzig
Die zweite Hälfte der Woche sind
Astrid und ich hauptsächlich damit beschäftigt, die Twilight -Nacht zu
organisieren, die pünktlich zu Halloween ansteht. Oder Happy Reformationstag! ,
wie es in meiner Familie heißt. Alles Gute zum Thesenanschlag. Totallokal hat hierfür einen großen Kinosaal gemietet und verlost seit Montag im großen
Stil Eintrittskarten, wobei unsere spitzfindigen Gewinnfragen wie: „Was mögen
Vampire gar nicht: a) Knoblauch oder b) Zahnärzte?“ wohl kaum eine Hürde
darstellen. Aber wie so oft geht es im Radio ja auch nicht um Anspruch, sondern
um Unterhaltung.
„Ich brauche
noch eine neue Quizfrageeeee!“, quengelt Sven durch den Sender. Es ist kurz vor
15 Uhr, und seine Nachmittagsschicht beginnt gleich. Astrid und ich, über die
frisch gelieferten Kartons mit „Team Edward“- und „Team Jacob“-T-Shirts
gebeugt, zucken vor Schreck beide gleichzeitig hoch und stoßen dabei mit den
Köpfen aneinander.
„Ohhuuuha!“
Astrid reibt sich die Stirn und flucht leise. „Wie wär’s hiermit: Was ist
nerviger: a) ein Radio-Moderator oder b) 200 kreischende Teenies? “ Man
merkt, dass sie sich schon wahnsinnig auf die Sondervorstellung am Sonntag
freut!
„Das ist zu
schwer zu beantworten“, sage ich, meinen Kopf diskret nach Beulen abtastend.
Dann brülle ich nach kurzem Überlegen in Richtung Studio A: „ Was trinken
Vampire am liebsten: a) Blut oder b) Sangria? “ Sofort schäme ich mich
dafür, wie mühelos mit derartige Banalitäten einfallen. Aber außer mir selbst
scheint das hier niemanden zu beunruhigen.
„Danke!“,
schallt es stattdessen zurück, und schon schließt sich die Tür. „On Air“ – Genius
at work …
„Und was genau
sollen wir mit diesen T-Shirts machen?“, wende ich mich wieder Astrid und den Kartons
zu. „Ich meine – das sind wie viele?“
Astrid kramt den
Lieferschein hervor. „Angeblich genau fünfzig.“
„Fünfzig Stück?!
Ist bei Totallokal der Reichtum ausgebrochen?“
Astrid lacht.
„Tja, die junge Zielgruppe lässt man sich auch mal was kosten. Aber das geht
nicht alles auf den Bierdeckel von Totallokal – schau mal!“ Sie nimmt
eines der T-Shirts und dreht es herum. Auf der Rückseite steht in Schönschrift:
„Bis(s) zur Kaffeepause… in Ihrem Café Biesenbacher“.
„Scheint, wir
sind nicht die Einzigen mit Nachwuchsproblem…“ Ich schüttele amüsiert den Kopf.
„Na ja, wir werden ja sehen. Hauptsache, es gibt keinen Mord- und Totschlag
wegen der Dinger. Wie wird das geregelt? Die ersten fünfzig Besucher kriegen
eins?“
„Genau.“ Astrid nickt. „Wobei ich mit dir wette, dass die Hälfte der
Teenies sich längst mit den originalen T-Shirts eingedeckt hat.“
Und Astrid soll Recht behalten. Als
wir am Sonntagnachmittag beim Kino vorfahren, steht dort schon eine
größtenteils düster gekleidete Menschenmasse und begehrt ungeduldig Einlass.
Durch die verschiedenen Team-Shirts kommt man sich ein bisschen vor wie bei
einem Fußballspiel, wenn auch ganz klar bei einem der Damenliga.
Jede mit einem
schweren Karton bepackt, kämpfen Astrid und ich uns durch den blutdurstigen Mob
an der Kasse vorbei und beziehen hinter einem provisorisch dekorierten
Tapeziertisch Stellung. Dort steht auch schon Manuel, der durch den Abend
moderiert und sich hierfür als Vampir verkleidet hat. Mit seinem langen Umhang
und dem Stehkragen wirkt er allerdings ganz schön altbacken – kein Vergleich zu
der trendsicheren Vampirfamilie Cullen mit ihren Designerklamotten.
„Erinnert Manuel
dich nicht auch an irgendwen aus deiner Kindheit?“, flüstert Astrid mir zu.
Da klingelt es
auch bei mir. „Ja. Genau! Graf Zahl!!!“
„ A-ine
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