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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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Deiner Nominierung erfahren – meinen Glückwunsch! In welcher Ecke Deutschlands
treibst Du Dich denn gerade herum? Nun, egal wo es ist, es ist sicherlich
besser als hier… Aber ich will mich nicht beklagen, schließlich weiß ich genau,
was Du dazu sagen würdest. Und Du hast ja Recht!
    Übrigens:
Vorgestern habe ich den Feiertag genutzt und mir wie versprochen mein
Manuskript vorgenommen. Es ist zwar ein bisschen angestaubt (wenn auch, dem
digitalen Zeitalter geschuldet, im rein metaphorischen Sinne), aber ich war
doch überrascht, dass ich es nicht sofort in den elektronischen Papierkorb
werfen wollte :-P
    Allerdings
ist es schon ein großer Unterschied, das bereits Geschriebene aus sicherer
Entfernung heraus zu mögen, als sich tatsächlich wieder hinzusetzen und
versuchsweise daran anzuknüpfen. Plötzlich merke ich wieder, warum ich mich
seit Monaten hinter meiner so genannten ‚Arbeit’ im Sender verstecke: Es ist so
einfach!!! Denn sollte ich dort mal Mist bauen, so ist das zwar ärgerlich, aber
kein Weltuntergang. Zumindest nicht für mich. Beim Schreiben ist das anders. Da
kommt es mir vor, als würde mir bei der kleinsten Fehlmischung alles um die
Ohren fliegen. Kein wirklich entspanntes Arbeiten, so auf dem Pulverfass…
    Wie zum Henker machst Du das? Hast Du nicht gesagt, Schreiben sei im
Grunde einfach? Ein ganz natürlicher Akt? Und wo wir gerade von natürlichen
Akten sprechen: Was machen die Groupies? Ich hoffe, Du kannst mir eine Menge
Geschichten von Deiner Lesetournee erzählen – bin für jedwede Inspiration
dankbar ;-)
    Soweit erstmal von mir,
    alles Liebe und bis bald,
    Julia

Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Kopie:
    Betreff: Perversionen
    Datum: 05.11.2010
02:03:35
    Ach Julia,
    Dein eigenes Leben dürfte
genügend Inspiration bieten, davon gehe ich aus. Du darfst nur Deine Augen
nicht davor verschließen… Und wo wir gerade bei gewagten Blicken sind: Wie käme
ich dazu, eine andere Frau auch nur anzusehen, wenn ich ein nächtliches
E-Mail-Date mit meiner Lieblingsneurotikerin habe :-)
    Momentan
befinde ich mich in einem recht schäbigen Hotel auf dem Lande – überleg es Dir
gut: Das Leben als Schriftsteller ist alles andere als glamourös, Nominierung
hin oder her! Zumal ich nie behauptet habe, dass Schreiben ein natürlicher
Prozess sei. – Wie käme ich dazu?! Es ist ein zwangsläufiger Prozess, ja, das
schon. Aber natürlich ??? Ist es natürlich, sich nächtelang bis zur
Selbstzerfleischung aufzureiben (s. Uhrzeit!), um den vermeintlich perfekten
Satz zu finden, bei dessen Wiederlesen am nächsten Tag man vor Scham im
Erdboden versinken will? Ich denke nicht.
    Dabei stimmt es schon, es steckt eine gewaltige Kraft dahinter, die
uns trotz allem antreibt, immer weiterzumachen. Ist es Instinkt? Schicksal?
Eine Strafe der Götter? Keine Ahnung. Die Schriftstellerei hat zweifelsohne
etwas Masochistisches an sich, aber wenn man darauf steht, hat man auch viel
Freude an ihr… Und ein imaginärer Blick in Deine hübschen traurigen Augen sagt
mir, dass auch Du das Potential hast, mit ihr glücklich zu werden. Der Trick
ist dabei lediglich, loszulassen. Keine leichte Übung, ich weiß. Aber wenn Dir
das gelingt, bist Du ein großes Stück weiter.
    Beste Grüße vom Hintern der
Welt,
    Martin
     
     
     
     
     
     
     
     

Neunundzwanzig
    Es ist Sonntagmittag, und ich komme
mir vor wie meine eigene Gefangene. Seit Freitag habe ich die Wohnung nur
einmal verlassen, weil sowohl der Weichspüler als auch das Klopapier alle
waren. Ansonsten tigere ich hospitalistisch durch meine paar Räume, vor mich
hinmurmelnd und schimpfend, um dann immer wieder zu meinem Laptop
zurückzukehren und mehr oder weniger Geistloses zu Word zu bringen.
    Ich weiß, ich
weiß! Kreativität sieht anders aus. Man muss hinaus in die Welt, heißt es.
Offen sein für neue Eindrücke, Inspirationen einfangen. Aber ehrlich gesagt habe
ich momentan das Gefühl, dass, sobald ich noch einen einzigen neuen Eindruck erhalte,
mir der Kopf explodiert. – Martin hatte Recht: Da ist ganz schön viel los in
meinem Schädel. Und es ist ein äußerst undisziplinierter Gedankenhaufen, der da
kreuz und quer durcheinander schreit, während ich kaum aus noch ein weiß. Also
doch raus an die frische Luft? Aber ich kann doch nicht das ganze Wochenende
spazieren gehen und naiv darauf hoffen, dass mich irgendwann die Muse küsst!?
Weiter mit der Selbstkasteiung!
    Ich setze mich zurück
an den Laptop und starre auf

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