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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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trinken die Menschen, als gäbe es kein Morgen mehr. Denn
darum geht es doch an Weihnachten, oder etwa nicht? Also fackeln auch wir nicht
lange und stellen uns bei der erstbesten Glühweinpyramide an.
    „Was darf es
sein?“
    Während Tristan
mit dem neckischen Plüschgeweih seiner Nachbarin kämpft und verhindern will,
dass ihm die ausladenden Elchschaufeln ein bis zwei Augen ausstechen, 
übernehme ich kurzerhand das Kommando und bestelle zwei Feuerzangenbowlen.
Danach bahnen wir uns zügig einen Weg durch die Weihnachtsmützen und
Engelsflügel und fragen uns, ob wir vielleicht durch ein Zeitloch gefallen und
bereits mitten im Karneval gelandet sind – oder wahlweise bei Dr. Seuss. Nach
einigen geschickten Ausweichmanövern haben wir jedoch einen freien Quadratmeter
ergattert und sind zum Glück nur noch dabei statt mittendrin. (O je! Würde man
meinen Kopf von diesem ganzen Mediengesülze entschlacken, ich hätte
wahrscheinlich genügend Kapazität, um die Weltformel zu finden!) Fasziniert
starren wir auf das Treiben um uns herum.
    „Weißt du noch,
wie’s früher war?“, fragt mich Tristan ganz in alter-Mann-Manier, worauf ich in
der Hurra -Melodie der Ärzte antworte: „Früher war alles schlecht!“
Dann kichere ich los, als hätte ich schon drei Glühwein intus, aber mein Bruder
kennt das schon von mir und lässt sich nicht weiter irritieren. Mit stoischer
Miene prostet er mir zu, nippt an der Bowle und spinnt seinen Gedanken weiter.
    „Ich meine ja
nur. Letztlich war Weihnachten wohl nie frei von Kommerz. Aber das, was sich in
den letzten Jahren hier abspielt, ist doch wohl echt grotesk.“
    Ich nicke und
stelle mir vor, wie die Hirten vor 2010 Jahren direkt neben dem Stall einen
Waffelstand aufgemacht haben. Schließlich kamen die Besucher des ersten
dokumentierten Baby-Showers von weit her und waren sicher hungrig. Mit Jingle
Bells spielenden Ohrenschützern haben die geschäftstüchtigen Viehbauern
jedoch sicherlich nicht gerechnet. Da fällt mir etwas ein.
    „O, du! Ich
brauche unbedingt noch Christbaumkugelohrringe für die Weihnachtsfeier
im Sender! Ich weiß auch, wo der Stand ist. Gehen wir da gleich noch hin?“
    Jetzt ist
Tristan doch entsetzt. „Hast du mir eigentlich zugehört?“
    Doch ehe ich
mich verteidigen und darauf hinweisen kann, dass alle Welt von mir verlangt,
mich besser zu integrieren, und dies nun einmal meine Art sei, dem sozialen
Gruppenzwang Folge zu leisten, verschlucke ich mich fast an der heißen Bowle,
denn keine drei Meter von uns entfernt steht Astrid – und neben ihr: Max.
    Es ist das erste
Wiedersehen seit dem katastrophalen Twilight -Abend, an dem ich mich
zuerst in Max’ Arme geworfen habe, um ihn kurz darauf Lichtjahre von mir weg zu
schleudern. Und nun ist er wieder da: Groß und hübsch wie immer. Und mit einer
neuen Frau an seiner Seite.
    Meine Ohren
rauschen, so dass ich Tristans Gerede über die amerikanisierte
Geschmacklosigkeit der Europäer nur am Rande mitbekomme. Was zum Henker machen
die beiden hier? Also, was sie hier machen, ist ziemlich klar. Aber wieso machen sie das? Ist das hier so etwas wie ein Date? Sind die beiden zusammen?
Wie lange schon?
    Gebannt starre
ich zu dem Paar herüber, und auch wenn das die Gefahr des eigenen
Entdecktwerdens nach Murphys Gesetz nicht unwesentlich erhöht, so kann ich doch
nicht anders. Die beiden sehen so vertraut aus, wie sie einander
gegenüberstehen, lachen, Leute kommentieren und sich dabei ab und zu anstupsen.
Und plötzlich ist es wieder da, dieses Ziehen quer durch meine Brust bis tief hinein
in meinen Magen. Ich muss schlucken.
    „Sag mal, bist
du noch da?“ Tristan hat seine Predigt unterbrochen und versucht wohl schon
seit geraumer Zeit, zu mir durchzudringen. Zu gerne möchte ich mich zu ihm
umdrehen und die Bilder abschütteln, die gerade dabei sind, in meinem Kopf das
Laufen zu lernen: Max und Astrid, die Händchen halten. Max und Astrid, die sich
küssen. Max, der Astrid was ins Ohr flüstert. Astrid, die daraufhin kichert.
Begehrliche Blicke. Hastiger Aufbruch. Max’ Wohnung. Max auf Astrid. Max in
Astrid… Gequält schließe ich die Augen. Das ist definitiv der Nachteil, wenn
man soviel Phantasie besitzt wie ich. Aber wer garantiert mir, dass sich das
Ganze wirklich nur in meiner Phantasie abspielt? Wäre es denn so abwegig, dass
die beiden ein Paar sind? Schließlich ist Astrid ziemlich sexy mit ihren
üppigen Kurven und ihrem hohen IQ. Und Max – nun, über ihn brauche ich wohl
nichts

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