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Liebe 2.0

Liebe 2.0

Titel: Liebe 2.0 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mareike Giesen
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Außentemperaturen hat er die oberen drei
Knöpfe seines weißen Hemdes wieder einmal offen gelassen, als bräuchte ein
Martin Egger schlichtweg mehr Raum zum Atmen als andere Menschen. Im Gegensatz
dazu liegt die dunkle Jeans eng genug an, um Martins immer noch schlanke Figur
zu betonen, ohne dabei verzweifelt jung wirken zu wollen.
    Während ich mich
in der geräumigen Altbauwohnung umschaue, frage ich mich, wie ich mir Martins
Zuhause eigentlich vorgestellt habe. Dass es sich von Max’ minimalistischer
Studentenwohnung unterscheiden würde, war klar. Und auch mein eigenes kleines
Reich scheint einer ganz anderen Welt anzugehören, wenn ich mich in dem
düsteren Wohnzimmer mit den meterhohen Bücherregalen so umblicke.
Erwartungsgemäß herrscht ein kreatives Chaos, dessen Epizentrum in einem durch
Manuskript- und Bücherstapel abgegrenzten Arbeitsbereich liegt und sich von
dort aus in konzentrischen Kreisen über die gesamte Wohnung ausbreitet. Selbst
auf der Anrichte der offenen Küche finden sich einzelne, mit zahlreichen
handschriftlichen Anmerkungen versehene Ausdrucke – und doch wirkt dies alles
durchaus nicht nachlässig oder unruhig, sondern eher… inspirierend. Ich schätze
Martin keineswegs so ein, dass er mit Absicht ein paar Blätter hier und dort
drapiert hat, um das zerstreute Genie zu geben. Und genau das mag ich so an
ihm: Er spielt nicht. Er ist.
    „Was darf ich
dir zu trinken anbieten?“
    Wenn ich es
nicht besser wüsste, könnte ich den Eindruck bekommen, dass auch Martin ein
bisschen aufgeregt ist, so wie er da hinter dem Tresen steht und sich zum
fünften Mal seit meiner Ankunft durch den graumelierten Struwwelkopf fährt.
     „Och, ich nehme das, was du trinkst“, will ich es uns beiden einfach
machen, aber als Martin antwortet: „Also einen doppelten Scotch?“, vertiefe ich
mich lieber doch genauer in sein Spirituosenangebot.
    Wenig später sitzen Martin und ich
uns im Wohnzimmer gegenüber, und sowohl der Campari in meiner Hand als auch die
wahnsinnig bequeme Couch unter meinem Hintern nehmen mir nach und nach die
Nervosität.
    „Sag mal, hast
du abgenommen? Du bist so schmal im Gesicht geworden. Warst du krank?“
    Ich schüttele
den Kopf. „Nein, nein, alles in Ordnung. Ich hatte ein paar Probleme… aber es
geht wieder bergauf.“
    Martins Blick
bleibt skeptisch. „Was für Probleme?“
    „Na, Probleme
halt. Nichts Wichtiges“, winke ich ab.
    „Nun, dein
Körper scheint da anderer Ansicht zu sein. Willst du darüber reden?“
    Plötzlich muss
ich lachen. „Hör mal, Martin! Soll ich mich jetzt auf die Couch legen oder was?
Ich dachte, wir hätten längst geklärt, dass du nicht als mein Psycho-Doc
agieren sollst. Es geht mir gut, glaub mir!“
    Nach kurzem
Zögern stimmt Martin in mein Lachen ein. „Okay, ich glaube dir. Was nicht
heißen soll, dass du dich nicht gerne doch auch mal zu mir auf die Couch legen
darfst…“ Typisch! Doch dann wird er ernst. „Ehrlich, Julia, reiß dich zusammen.
Ich weiß, du bist sensibel – nicht gerade die schlechteste Eigenschaft für
einen Schriftsteller. Aber so eine Gabe kann auch ruckzuck zu deiner
Schwachstelle werden. Und das kann keiner wollen.“
    „Nein, sicher
nicht.“ Ich nehme einen großen Schluck und lasse dabei meinen Blick über die
abertausenden von Buchrücken schweifen. „Hast du die alle gelesen?“, starte ich
ein Ablenkungsmanöver.
    Martin ist
meinem Blick gefolgt und wiegt nachdenklich den Kopf. „Ich würde sagen: Die
Hälfte. Die andere Hälfte ist da zum Nachschlagen, Recherchieren, Sammeln.
Alles, was ich irgendwo sehe und interessant finde, muss ich haben…“ Sein Blick
wandert zurück zu mir, und seine Stimmlage wird eine Nuance tiefer, während er
die Augenbrauen hebt. „… und so kommt mit den Jahren Einiges zusammen.“
    „Ach!“ Mehr
fällt mir dazu erstmal nicht ein. Ich nippe weiter an meinem Campari und starre
abwechselnd auf die unzähligen Bücher und in Martins amüsiertes Gesicht. In
meinem Inneren kämpft es, und am Ende kann ich doch nicht anders, als auf das
Spiel einzugehen. „Bei mir ist es ja eher so, dass ich eine echte Beziehung zu
meinen Büchern aufbauen muss“, sage ich und recke dabei trotzig das Kinn in
Martins Richtung. „Ehrlich gesagt muss ich ein Buch schon sehr mögen, bevor es
zu mir ins Regal kommt.“
    Vergnügt funkelt
mich Martin über seinen Scotch hinweg an. Er hat es mal wieder geschafft, mich
zu provozieren, und genießt unsere Kabbelei. „Du meinst so

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