Liebe 2.0
dämlichste Zuschauer den Anschluss findet.
Allerdings leide ich selber nicht an Demenz – auch wenn das nach Begegnungen
wie der heutigen vielleicht ganz praktisch wäre.
„Du wiederholst
dich“, sage ich genervt, während ich mich neben ihm aufs Sofa fallen lasse und
demonstrativ zur Fernbedienung greife.
„Weil du mich
nicht beachtest!“ Manchmal hat Tristan die Nervschiene echt voll drauf. Da ist
Claras Quengeln nichts gegen. Ich schalte den Fernseher ein.
„Und wenn
schon?“, gebe ich mich gleichgültig, versuche dabei jedoch unauffällig, den
ungeliebten Film in meinem Kopf mit den Flimmerbildern der Waschmittelwerbung
zu überspielen.
Tristan guckt
mich von der Seite an, die Augen zusammengekniffen, eine Falte zwischen den
Brauen. Ich komme mir vor wie ein kleines Insekt, von dem ein Forscher
überlegt, ob er es nun näher untersuchen oder einfach zerquetschen soll. Auch
Tristan scheint mit sich uneins und schüttelt unwillig den Kopf. „Ich kenne den
Unterschied zwischen Sex und Freundschaft. Und ich kann aus eigener Erfahrung
gut beurteilen, ob jemand eine Freundschaft als Sprungbrett ins Bett des
anderen nutzen will oder nicht. Anspielungen, Flirts, Augenkontakt, zufälliges
Berühren – nichts ist so effizient wie die Harry&Sally -Masche! Und
vor dir steht zufällig ein Meister dieser Anmachtaktik!“
„Freut mich für
dich!“ Ich reiße mich kurzzeitig vom Bärenmarke -Bären los und strahle
Tristan enthusiastisch an. „War’s das jetzt!?“
Tristan schmollt.
„Ich mein’ ja nur. Er wirkte halt sehr sympathisch. Und mir kam es zumindest so
vor, als wäre er vielmehr an dir interessiert als an dieser Astrid. Aber du
hast ihn ja kaum eines Blickes gewürdigt. Ich meine…“
„Tristan, es
reicht!“ Ich bin selbst etwas erschrocken, wie laut meine Stimme auf einmal
geworden ist, und fahre in gedämpftem Ton fort. „Hör auf, für mich den
Liebesboten zu spielen. Es ehrt dich, dass du für mich Partei ergreifst,
wirklich. Das ist irgendwie süß. Aber komm’ mir nicht mit deinen selbstverfassten
Theorien, deren relative Gültigkeit du als Statistiker doch am besten kennen
solltest. Ich habe selber Augen im Kopf. Ich weiß durchaus, was ich gesehen
habe. Max ist ein toller Kerl, ja. Aber gerade deshalb verdient er auch so
jemanden wie Astrid: Ein lustiges, frohes Mädchen, das selbstbewusst ist. Und
sexy. Eine, die ihn glücklich macht. Und die zulässt, dass er sie glücklich
macht…“
Obwohl ich mich
mit aller Macht wehre, merke ich, wie meine Stimme zitterig wird. Tristan rückt
näher an mich heran, bereit, mich jederzeit in den Arm zu nehmen – und das ist
in solchen Situationen eigentlich das Schlimmste. Früher in der Schule konnte
ich mich beim roten mangelhaft unter der Englischarbeit gerade noch
beherrschen. Aber wenn sich dann der Arm meiner Tischnachbarin tröstend um
meine Schultern gelegt hatte, war es mit der Selbstbeherrschung vorbei und alle
Dämme brachen. Zum Kotzen ist das.
Vorsorglich
rücke ich ein Stück von Tristan weg, doch da ist schon das Ende der Couch
erreicht. Ich spüre Tristans Blick auf meinem Profil, während ich wild mit den
Augen klimpere und versuche, an etwas anderes zu denken. Das Abendessen etwa.
Oder dass ich dringend mal das Bad putzen sollte. Die Mainzelmännchen. Doch
dann rückt Tristan wieder auf, legt seinen Arm um mich, und ich kann nicht
länger. Schluchzend zeige ich auf den Fernseher. „Bei der Merci -Werbung
muss ich immer weinen! Ich meine, die beiden haben sich so lange nicht gesehen
und sind nun endlich wieder zusammen!“ Dann heule ich richtig los.
Tristan legt
jetzt auch den anderen Arm um mich und tätschelt mir den Rücken. „Ich weiß, ich
weiß“, murmelt er. „Das ist eine ganz miese Masche, die die
Schokoladenindustrie da abzieht.“
Ich spüre genau,
dass es soviel anderes gibt, das er mir eigentlich sagen möchte. Aber er beißt
sich tapfer auf die Lippen und schweigt. Und das rechne ich ihm hoch an.
Um nicht den
gesamten Abend mit emotional mehr oder weniger aufwühlenden Commercials
verbringen zu müssen, entschließen Tristan und ich uns nach kurzer Beratung zu
einer A Nightmare on ElmStreet -Nacht. Eingedeckt mit unseren ungesunden
Einkäufen, die sich in kleinen Hügeln auf meinem Couchtisch stapeln, futtert
sich mein Bruder durch Teil 1, und auch ich halte mich tapfer ran. Wenn wir
nicht gerade den Mund voll haben, sprechen wir entweder die Dialoge mit oder
geben eigene geistreiche Kommentare ab. Es
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