Liebe am Don
mußte erst durch Hiebe auf Rücken und Gesäß, durch Hunger und kalte Güsse davon überzeugt werden, daß die herrliche Freiheit am Don zu Ende war. Vier Monate lag er im Keller der GPU von Rostow und wurde so lange geprügelt, bis er unterschrieb, daß seine Kosaken hundertprozentig auf seiten der Roten standen.
Von da an wurde es Kolzow speiübel, wenn er etwas von Geheimpolizei hörte oder las. Es ließ sich nicht vermeiden, daß er als Dorfsowjet öfter Besuch von Beamten des KGB erhielt, aber dann war er wortkarg, als leide er unter einem Sprachfehler, und wenn die Beamten wieder weggefahren waren, ritt er vom Parteihaus so schnell er konnte nach Hause und brüllte schon an der Tür: »Evtimia, ein heißes Bad! Die Dreckskerle haben mich verseucht –«
Eberhard Bodmar las den Ausweis des KGB, ausgestellt auf den Namen Jelena Antonowna Dobronina und drückte ihn dann Jelena zwischen die gefalteten Hände, aus denen Kolzow vorher die Blumen gerissen hatte.
Viele Rätsel begannen sich nun zu lichten. Die Fülle der Vollmachten, die Jelena besessen hatte, eine Macht, vor der selbst der widerliche Major Tumow im Zimmer des erschlagenen Gorlowka im Hotel ›Ukraina‹ kapituliert hatte, eine Macht, die den Tod des dicken Talinkow auf seiner Datscha zu einem gespenstischen Erlebnis werden ließ, dieses unverständliche Herausgleiten aus allen Gefahren, das Bodmar von Beginn seiner Reise an verwunderte, erhielt jetzt eine ganz einfache Lösung.
KGB.
Ein deutscher Journalist reiste in Begleitung einer Geheimagentin durch das Land. Er konnte hinfahren, wohin er wollte, er konnte sehen, was ihn interessierte, er konnte tun, was ihm beliebte … das Auge und das Ohr Moskaus waren stets um ihn. Es war leicht, großzügig zu sein, so leicht, wie man einen Irren in seinem Zimmer herumtappen läßt und ihn mit den Gegenständen spielen läßt, die herumliegen, denn die Wärter stehen hinter einer Glaswand und sehen zu.
Und die Liebe? Dieses wilde Begehren Jelenas, das schließlich mit ihrem Tod endete? War das einkalkuliert? Gehörte das zu ihrem Auftrag? Gab Moskau den Befehl: Liebe ihn, und wir saugen ihn auf wie einen Wassertropfen?
Bodmar beugte sich tief über das geschminkte, starre Gesicht Jelenas.
Wer warst du wirklich, dachte er. Warst du das kalte Biest aus der Retorte des KGB, oder bist du wirklich ausgebrochen und das Opfer deines Herzens geworden? Du hast die Antwort mitgenommen … wir werden dich nie mehr verstehen lernen …
Der alte Kolzow war noch dabei, über die stinkenden Ratten der Geheimpolizei zu schimpfen, als Evtimia mit Väterchen Ifan zurückkam.
Es war ein feierlicher Aufzug.
Ifan Matwejewitsch Lukin hatte sein Festgewand angelegt und trug das große Kreuz vor sich her, mit dem er morgen früh auch den Duellplatz umwandeln wollte. Schon an der Tür stimmte er ein lautes Singen an und betrat mit donnernder Stimme das Haus. Evtimia folgte ihm, einen Schleier über dem Kopf, die Hände vor der Brust gefaltet, und sang die zweite Stimme mit einem etwas kreischenden Ton. Ihnen folgten zwei Chorknaben, die Ifan aus der Nachbarschaft aus den Betten geholt hatte. Sie waren barfuß, trugen noch ihre Nachthemden, blickten aus müden Augen durch ihre ungekämmten Haare und schleppten zwei große Ikonen vor sich her, Holztafeln, auf denen auf goldenem Hintergrund der heilige Waran und die heilige Katharina schwebten.
»Der Mensch ist nur ein Korn aus Staub,
der Wind verweht ihn,
Herr, laß ihn in den Himmel wehen –«,
sang Väterchen Ifan dröhnend und segnete Bodmar mit dem Kreuz. Der Aufschrei Evtimias, die an ihm vorbei ins Schlafzimmer geschlüpft war, ließ ihn plötzlich verstummen.
»Er hat sie geschändet!« schrie Evtimia, riß sich den Schleier vom Kopf und suchte nach einem Gegenstand, um ihn Kolzow an den Kopf zu werfen. »Er hat die Tote geschändet! O Mutter Gottes, regne Feuer über ihn.« Sie ergriff einen Stuhl, schleuderte ihn auf Kolzow, die Chorknaben suchten Schutz hinter den Ikonen, und Vater Ifan drückte sich an die Wand.
Kolzow baute sich furchtlos vor dem Bett mit der Leiche auf. Er stützte die Hände in die Hüften, und er sah aus wie ein Kosak, der bereit ist loszustürmen, alles um sich herum kurz und klein zu schlagen.
»Weg mit dem Kreuz!« brüllte er. »Aufhören mit den heiligen Liedern! Man sollte ihren Kadaver auf den Mist werfen – das ist er wert!«
Vater Ifan, von Amts wegen zur Güte verpflichtet, schnaufte laut auf und hieb dann Kolzow mit dem
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