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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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riesigen, mit Marmor ausgekleideten Halle des neuen Bahnhofs und tranken aus Pappbechern kalte, süße, klebrige Limonade. Um sie herum stapelte sich das Gepäck, das Väterchen Kolzow und seine Freunde noch mit grober Gewalt in das Abteil hatten drücken können. Ein Lastträger hatte es für zwei Rubel Lohn hier in Wolgograd vom Bahnsteig geschleppt und in die Halle gestellt.
    »Viel Glück, Genossen«, hatte er beim Abschied gesagt. »Vor zwei Jahren bin ich auch so angekommen, aus Kasakstan, ein armer Hirte war ich und dachte mir: Zieh in die Stadt, da fließt der Honig aus den Wasserleitungen. Aber es war doch nur Wasser, und schlechtes dazu. Paß auf, Genosse, wenn du dich bei der Arbeitsvermittlung meldest. Die dreckigste Arbeit drehen sie dir an, die fetten Säue von Beamten. Kanäle ausschachten, Kloaken mauern, Sümpfe trockenlegen, ganze Berge lassen sie hin und her bewegen, als ob die Landschaft nicht gut genug sei, wie sie ist … Nein, habe ich gesagt, nein. Weggelaufen bin ich und habe mich umgesehen. Lastentragen ist zwar mühsam, aber man ist sein eigener Herr. Genosse, ein guter Rat: Sei vorsichtig! Augen auf! Am besten ist es noch in den Fabriken, wenn man ein wenig technischen Verstand hat –«
    Bodmar bedankte sich für die guten Ratschläge, trank seinen Becher Limonade und schleppte dann das Gepäck zu dem großen Schalter der Aufbewahrung. Sechsmal mußte er gehen, während Njuscha auf einem Karton saß und ihre Habe bewachte.
    »Wollen Sie ein Haus einrichten, Genosse?« fragte der Arbeiter in der Gepäckaufbewahrung. »Wann holen Sie das alles wieder ab? Sie brauchen Platz für drei Genossen.«
    »Es ist nur für ein paar Stunden, Brüderchen.« Bodmar schob mit dem letzten Sack – er enthielt zwei Kopfkissen und eine dicke Wolldecke – einen Fünfrubelschein über die Theke. Der Arbeiter strich ihn ein, ohne Bodmar dankbar anzusehen, stempelte den Aufbewahrungsschein und drückte ihn Bodmar in die offene Hand.
    »Lassen Sie sich Zeit, Genosse«, sagte er dabei. »Die höchste Form des Sozialismus ist die gegenseitige Hilfe.«
    »Wie recht Sie haben, Genosse.« Bodmar steckte den Beleg ein. »Ich suche ein Zimmer.«
    »Hier?« Der Arbeiter betrachtete Bodmar wie einen tanzenden Affen. »Ein Zimmer? Ein richtiges Zimmer? Mit vier Wänden, einer Tür, einem Fenster, das verglast ist, und womöglich noch einem Wasserhahn in der Wand? Und heizen muß man es auch können?«
    »Wenn das alles möglich ist –«
    »Woher kommen Sie denn?«
    »Vom Don, Freundchen.«
    »Ein Kosak!« Der Arbeiter, er hatte die fahlgelbe Gesichtsfarbe eines Ewenken und das breite, knochige Gesicht des Südsibiriers, setzte sich auf die Theke. »Ihr habt wohl nur gelernt, den Pferden unter den Schwanz zu gucken? Ein Zimmer! Ein richtiges Zimmer will er haben! Kommt in die Stadt und will so einfach ein Zimmer. Sagt das so daher, als kaufe er fünfzig Gramm Wodka. Weißt du, was ein Zimmer ist? Nein, du weißt es nicht, du krummer Kosak. Ein Zimmer ist ein Stück vom Paradies!«
    »Aber hier wird doch gebaut. Block an Block. Fünf, sechs Stockwerke hoch. Tausende von Zimmern –«
    »Und wer verteilt sie, he? Das Wohnungskommissariat. Da gibt es eine Liste, und auf der Liste stehen zehntausend Namen. Da kannst du dich eintragen, ganz hinten, und wenn du Großvater geworden bist, werden sie dir zwei Zimmerchen geben. Zum Sterben gerade recht, denn die nächsten stehen schon vor der Tür, klopfen und rufen durch die Ritzen: Nun mach schon, Alterchen, stirb endlich. Halt dich nicht länger auf als notwendig. O Mutter Gottes … ein Zimmerchen will er haben!«
    Bedrückt kam Bodmar zu Njuscha zurück. Sie hatten das Allernotwendigste behalten … eine Reisetasche mit Wäsche, einen verschnürten Sack mit zwei Decken und flachen Kissen. »Gehen wir«, sagte Njuscha, ehe Bodmar ihr von der Schwierigkeit einer Zimmersuche berichten konnte.
    »Wohin?«
    »In unser neues Leben, Sascha.« Sie lächelte ihn an wie eine Madonna. Das lange blonde Haar hatte sie während der Zeit, in der Bodmar das Gepäck wegschleppte, hochgebunden wie zu einer Krone. Darüber knotete sie jetzt ihr Kopftuch, einen roten Fetzen Stoff mit kleinen weißen Punkten.
    »Ich weiß nicht, was werden soll, Njuscha. Wir werden nie ein Zimmer bekommen.«
    »Dann werden wir auf der Erde schlafen.«
    »Und wenn der Winter kommt –«
    »Erst wird es Sommer sein.« Sie streichelte seine Wange und sah so glücklich aus, als trage er sie wie ein reiches Bräutchen

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