Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
wahr, Malascha?«
    »Ich habe sie«, sagte Njuscha und ballte hinter dem Rücken die Fäuste. »Glawira Fillipowna, ich bleibe bei Ihnen. Ich helfe Ihnen. Ich habe keine Angst vor den Toten. Unsere Brüder und Schwestern sind sie –«
    »Was kann sie verdienen?« fragte Melanie. Sie war nüchtern und verscheuchte die heilige Stimmung die aufkam.
    »Zweihundert Rubel«, sagte Glawira. »Ich will es durchsetzen. Sie müssen es zahlen, denn auch die Sauberkeit der Toten gehört zum Sozialismus.« Und plötzlich überkam sie eine wilde Rührung, sie sprang auf und umarmte Njuscha, drückte sie an sich und küßte sie. Ein Geruch von Desinfektion strömte aus ihrer Haut. »Mein Töchterchen!« rief sie. »Mein Täubchen! Wir werden gut zusammenarbeiten. Fröhlich wird es sein! Wir werden ganz allein sein, denn wer hier hereinkommt, sagt keinen Muckser mehr. Warte hier … ich spreche sofort mit der Genossin Leiterin.«
    Sie riß die Gummischürze und die langen Handschuhe herunter, stieg in eine bunte Kittelschürze, kämmte sich das Haar und holte das gewaschene Großväterchen aus der Ecke. Er wurde in einen anderen Raum geschoben, wo schon sieben Tote auf ihren Sarg warteten. Von diesem, wiederum gekühlten Raum führte eine große Doppeltür aus Stahl direkt zu einem Lastenfahrstuhl, mit dem die Särge herunterkamen und die Toten später, in weiße Wäsche gebettet, wieder zurück an die Sonne gefahren wurden, um endgültig Abschied vom lauten Leben zu nehmen.
    »Meine Kranken warten«, sagte Melanie und dröhnte Glawira nach. Ihre Schritte waren in der Stille wie dumpfe Donnerschläge. »Sieh dich ein wenig um, mein Liebchen. Du wirst bestimmt die Stelle bekommen. Zweihundert Rubelchen, das ist ein guter Anfang, meine ich.«
    Eine Tür klappte, ehe Njuscha antworten konnte. Nein! wollte sie schreien. Nein! Laßt mich nicht allein in diesem Riesengrab! Bleib bei mir, Malascha, bis Glawira zurückkommt. Laßt mich nicht zurück bei diesen Toten! Ich flehe euch an, Schwesterchen –
    Aber zu spät war's dazu. Sie war allein in dem heißen Raum mit den flachen Waschmulden. Im Nebenzimmer warteten in konservierender Kälte die neuen Leichen, noch nicht gewaschen, das unerfüllte Soll Glawira Fillipownas.
    Die Minuten verrannen so zähflüssig, wie Honig von einem Löffel tropft. Einmal schrak sie hoch, weil über der Tür summend ein rotes Lämpchen aufflammte. Dann hörte sie Geräusche im Kühlkeller und ahnte, daß eine neue Leiche in die Reihe geschoben worden war. Minuten später klingelte es … da sie nicht wußte, was das zu bedeuten hatte und sich nicht rührte, wiederholte sich das Klingeln fünfmal, um dann in ein Dauerschrillen überzugehen.
    Was soll ich tun? dachte Njuscha. Sie lief umher, blickte in den Kühlraum, riß die Tür zum Transportraum auf und hörte, wie Fäuste gegen die große Doppeltür hämmerten.
    Die Särge, dachte sie. Das sind die Sargträger. Man muß ihnen öffnen.
    Sie lief zur Tür, schloß sie auf und vier Männer fielen fast in den Raum.
    »Sie schläft!« schrie einer. »He, Glascha, du Aas! Legst wohl die Toten in die Wanne und schläfst selbst auf der Bahre!« Dann sahen sie Njuscha, die sich hinter einen der Türflügel geflüchtet hatte, und blieben verblüfft stehen. Stumm bildeten sie einen Halbkreis und staunten sie an.
    »Ein blondes Täubchen –«, sagte einer der rauhen Kerle. »Ein Engelchen! Genossen, sind wir im Himmel? Haben wir uns verlaufen? Herzchen, warst du scheintot und bist der Glascha aus der Wanne gehüpft?«
    »Ich arbeite hier«, sagte Njuscha. Das laute, pralle Leben, das mit den vier Sargträgern in die kalte Gruft des Kellers II gekommen war, ließ sie tief aufatmen, als sei es der frische Wind des Meeres. Sie warf das Haar zurück und kam hinter der Tür hervor. »Seit heute arbeite ich hier. Ihr werdet euch daran gewöhnen müssen, ihr Halunken. Los, wen wollt ihr holen? Ich habe keine Zeit, mich anstarren zu lassen. Wer ist an der Reihe?«
    »Afanasij Iwanowitsch Semkinew –«, stotterte einer.
    »Ludmilla Alexandrowna Butlanowa«, sagte ein anderer.
    »Holt die Särge herein. Was steht ihr hier herum? Zum Teufel, ich habe selten faulere Menschen gesehen als euch!«
    »Der Nachwuchs«, sagte einer der Sargträger und wandte sich ab. »Es ändert sich nichts. Sie finden immer die Richtigen. Genossen, holen wir die Kisten.«
    Während die Sargträger die Särge aus dem Lastenfahrstuhl in den Ausgaberaum schleppten, ging Njuscha von Bahre zu Bahre und

Weitere Kostenlose Bücher