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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stunden lang befragte Major Tumow den in strammer Haltung vor ihm sitzenden Kolzow. Die anfängliche Höflichkeit war weggeweht wie Spreu im Steppenwind; es gab keine Papyrossa mehr, kein Glas Wein, keine freundliche Anrede. Die Hände flach auf den Knien, den Kopf hoch erhoben, den Blick an Tumow vorbei auf ein Bild des Stalingrad-Helden Pawlow, so ließ Kolzow die Fragen auf sich herunterprasseln, und es war wie in Perjekopsskaja bei der ersten Vernehmung: Tumow fragte kreuz und quer, wiederholte die Fragen, formulierte sie anders, verpackte sie in andere Fragen, eine höllische Methode, um Lügner im eigenen Netz zu fangen. Aber Kolzow ließ sich nicht fangen wie ein müder Fisch … er hatte auf alle Vorhaltungen nur zu sagen: »Genosse, ich weiß es nicht. Genosse Major, ich bin nur ein armer Kosak. Genosse, das sind Dinge, die ich nicht wissen kann. Genosse, Sie fragen Sachen, die nie geschehen sind –«
    Tumow schrie sich heiser, ehe er sich erschöpfter als Kolzow zurücklehnte und ein ganzes Glas voll Wein mit einem Zug leerte. Kolzow bot er nichts an … die sanfte Welle war vorüber.
    »Glauben Sie wirklich, mich belügen zu können?« fragte er dann. Kolzow sah Tumow erstaunt an.
    »Genosse, ich sage nur die Wahrheit. Soll ich wiederholen, wie sich alles in Perjekopsskaja und in meinem Hause zugetragen hat? Das war so … Eines Tages kommt ein Wagen aus Moskau …«
    »Hören Sie auf, Dimitri Grigorjewitsch!« Tumow verzog den Mund, als sauge er an einem Essiglappen. »Halten Sie mich für einen Idioten? Ich weiß die Wahrheit. Sie liegt wie eine Perle in einem Tresor, und Sie haben dazu den Schlüssel. Nur Sie! Es gibt nun zwei Möglichkeiten: Wir einigen uns, und Sie geben den Schlüssel her … oder ich breche den Tresor auf. Dabei wird er in Trümmer geben.«
    »Das heißt, ich werde getötet.«
    »Schlicht gesagt, ja.« Tumow umklammerte das leere Weinglas. »Kolzow … ich kann ein Satan sein.«
    »Wer würde das bezweifeln, Genosse Major?« sagte Kolzow ruhig.
    »Wo ist Ihre Tochter Njuscha?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Tumow sprang auf. Er zitterte vor Erregung. »Dimitri Grigorjewitsch, das gibt es nicht, daß ein Vater nicht weiß, wo seine Tochter ist!«
    »Es gibt Töchterchen, die bleiben im Haus und gedeihen so, wie man es sich immer wünschte, – und es gibt Weibchen, die treibt's hinaus in die Welt und sind der Kummer ihrer Eltern. Das Schicksal schlug uns mit einer solchen Tochter. Sie sollten Mitleid spüren, Genosse –«
    »Ich habe Mitleid mit einem Alten, der den Don nicht wiedersehen wird«, schrie Tumow. »Kolzow, halten Sie mich für einen Hirnlosen? Njuscha eine Herumtreiberin? Bei diesem Vater? Dreht sich in Perjekopsskaja die Welt anders um die Sonne? Ich habe mich in Ihrem Dorf umgehört, ich habe vierzig Kosaken befragt … Njuscha war ein Engel. Nie war eine Tochter enger mit ihrem Vater verbunden als Njuscha mit Dimitri Grigorjewitsch. Was mir allein Granja erzählte –«
    »Granja ist ein Schwätzer! Verschmähte Liebhaber sind wie hungrige Ratten. Genosse Major, wenn Sie keine anderen Zeugen haben –« Kolzow sah an Tumow vorbei gegen die Wand. Er wußte, daß es die letzten Minuten waren, in denen er noch frei sprechen konnte. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen gestehen soll. Njuscha ist weggezogen, kurz nachdem der Deutsche und Jelena Antonowna das Dorf verlassen haben. Evtimia hat Tag und Nacht geweint und in der Kirche gehockt und die Heiligen belästigt … fragen Sie Evtimia selbst, fragen Sie Väterchen Ifan Matwejewitsch … was soll ich noch mehr sagen? Ich kenne dieses Telegramm nicht, ich stehe vor lauter Rätseln, denn jede Ihrer Fragen ist ein Rätsel … ich habe das Leben eines ehrlichen Bauern und Kommunisten geführt. Genosse, mehr ist nicht mehr in mir.«
    Tumow wandte sich ab, trat an das Fenster und blickte in den Innenhof des großen, neuen Gebäudes. Es war eines jener Prunkbauten, die das Gesicht des neuen Stalingrad bestimmten. Aus Schutt und Asche schöner und größer – das war die Parole gewesen, mit der Hunderttausende zu Schaufel und Hacke griffen, mit der die Betonmischmaschinen Tag und Nacht ratterten. Schafft eine neue Stadt, die den Glanz des Sieges trägt! Stampft aus der blutgetränkten Erde ein ewiges Denkmal russischer Lebenskraft!
    Unten im Innenhof zogen neun Gefangene, bewacht von zwei Milizsoldaten mit Maschinenpistolen, langsam ihre Runden entlang den Mauern. Es waren Kriminelle, Verbrecher, die noch verhört wurden, ehe man

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