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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf der Sowchose – schien solch ein Ungeheuer zu sein. Denn wie sonst hätte Major Tumow in Wolgograd schon einen Tag später erfahren, daß man am Don-Ufer ein Denkmal für den toten Kolzow errichtet und eine grandiose Totenfeier vor Evtimia, der Witwe, stattgefunden hatte.
    Natürlich, es konnte auch anders gewesen sein. Man sprach hinterher viel über diese Feier, und Lastwagenfahrer konnten solche Berichte in die Stadt gebracht haben … aber so schnell, so präzis, genau an die richtige Stelle konnte das alles nicht gelangen, wenn man die Geschehnisse nur als Neuigkeit von Mund zu Mund weitergab.
    »Man kann dem besten Freund nur vor die Stirn sehen«, sagte Kalinew bei der Versammlung der Parteimitglieder im Parteihaus von Perjekopsskaja. »Er lächelt einen an, und dahinter ist Scheiße. Wer kann's sehen? Es ist nun einmal geschehen … Tumow trifft noch heute bei uns ein. Die Abordnung nach Wolgograd können wir uns sparen … wir tragen ihm unsere Bitte gleich selbst vor.«
    »Den Kopf spalte ich ihm!« schrie der alte Babukin. »Als Mörder sollten wir ihn behandeln! Wie Granja müßten wir ihn über den Fluß schicken! Brüder, er hat mein Söhnchen Dimitri getötet!«
    »Er hat recht«, sagte auch Kotzobjew und knackte mit den Fingern. Es klang so laut, als breche er Knochen auseinander. Erschreckt sahen alle zu ihm hin. »Sollen wir uns ewig ducken? Kann jeder Offizier mit uns machen, was er will? Sind wir Lämmer, he? Sind wir geboren, um den Kopf hinzuhalten, damit man uns eins draufhaut? Was für ein Recht hatte er, Kolzow einfach mitzunehmen? Leben wir in einem Staat, der Gesetze hat, oder kann hier jeder den anderen umbringen, wenn's ihm paßt? Wir sollten diesem Tumow zeigen, was Kosaken sind!«
    »Genossen, um Gottes willen, keine Revolution!« Kalinew sprang auf und fuchtelte mit den Armen durch die Luft. »Sie brennen uns das Dorf ab und schicken uns nach Sibirien!«
    »Na und?« brüllte Kotzobjew zurück. »Leben in Sibirien die Menschen wie Affen auf den Bäumen? Überall kann man leben … aber ich kann nur atmen, wenn ich meine Ehre behalte. Jawohl, Freunde, machen wir eine Revolution! Jagen wir diesen Tumow zum Teufel! Haben wir endlich einmal den Mut, diesem Herrn in den Hintern zu treten, wenn er uns in den Bauch tritt!«
    »Juchhei!« schrie der alte Babukin und tanzte durch das Zimmer. »Endlich wachen sie auf! Ich dachte schon, die jetzige Generation bleibt immer in den Windeln!«
    »Seid vernünftig!« schrie Kalinew in den Lärm hinein. »Genossen, behaltet den Kopf oben! Eine Revolution macht man nicht wie einen Haufen im Scheißhaus! Das muß vorbereitet werden! Seid doch vernünftig, Brüder! Rechnet doch mal nach! Wir sind – wenn alle mitmachen – siebenhundert Männer. Um uns herum aber leben hundert Millionen. Seht euch die Landkarte an! Perjekopsskaja ist darauf weniger als ein Fliegenschiß. Und ihr wollt eine Revolution!«
    »Wenn man so kleinlich denkt, wird's nie mit der Freiheit!« kreischte Babukin. »Als Lenin anfing, hatte er nur einen Eisenbahnwagen. Man muß eben Mut haben.«
    »Es gibt keinen Lenin mehr.« Kalinew hieb auf den Tisch. Hochrot war er im Gesicht. Er kannte seine Freunde … sie schäumten wie Birkensekt, und hinterher lagen sie herum und hielten sich jammernd den Kopf. Aber ein Ventil ist gut, es muß sein, denn sonst platzt der Kessel. »Verlegen wir uns aufs Verhandeln. Höfliche Menschen bekommen immer höfliche Antworten. Auch ein Major Tumow ist schließlich ein Mensch.«
    »War ein Mensch!« brüllte Babukin, der die Idee der Revolution wieder zusammensinken sah wie ein angestochenes Luftkissen. »Wenn es keiner wagt, ich tue es allein! Ich bringe ihn um, sobald er die Nase ins Dorf steckt. Genossen! Ich schwöre es beim Andenken an Dimitri Grigorjewitsch.« Er baute sich vor Kalinew auf, hob die rechte Hand und machte ein feierliches Gesicht.
    Da man nie wußte, wenigstens nicht in diesem Fall, ob Babukin nur wieder tönende Worte von sich gab, oder wirklich Tumow an den Kragen wollte, sperrte man ihn kurzerhand nach der Sitzung ein. Der Alte tobte und spuckte um sich, feuerte ein ganzes Arsenal noch nie gehörter Flüche ab und benahm sich wie ein von einer Wespe gestochener Esel … aber er fügte sich schließlich, versuchte nicht mehr, die Zimmertür einzurennen (man hatte ihn bei Klitschuk untergebracht, der neben der Küche ein Zimmerchen besaß, dessen Fenster vergittert war), sondern begnügte sich damit, Tisch und Stühle bis auf

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