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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Erholungsreise nach Jalta oder Sotschi am Schwarzen Meer … und dann lag er hier wie alle anderen, steif und bleich und kalt und hatte Platz in einer engen Kiste.
    Darüber konnte Glascha mit Njuscha philosophieren. »Der wirkliche Kommunismus ist der Tod«, sagte sie dann abschließend. »Er macht uns alle gleich.« Mit der Neuen, diesem Gebirge aus Knochen und Muskeln, war in diesem Stil sicherlich nicht zu reden. Glawira war also mürrisch und böse und schnitt dem toten Alterchen beim Rasieren dreimal in die Wangen.
    So hatte Njuscha an diesem Nachmittag Zeit, sich um Tumows Vernichtung zu kümmern. Sie saß auf einer Kabelrolle, als Borja und Bodmar das Grab aushoben, und dachte zurück an Perjekopsskaja, an die Jahre ihrer Kindheit, als Kolzow ihr das Reiten beibrachte, unten am sandigen Ufer des Don, wo man so weich fiel wie auf Federn, wenn das Gäulchen bockte und man aus dem Sattel flog wie ein Vogel aus dem Nest. Genau wie ein Junge hatte sie reiten gelernt, mit blauen Kosakenhosen und weichen Stiefeln, und Kolzow hatte am Don gestanden und vor Glück dröhnend gelacht, wenn Njuscha an ihm vorbeigaloppierte, mit fliegendem Haar und vor Freude gerötetem Gesicht. O Gott, war dies ein Leben gewesen! Wem glich es, wer konnte glücklicher sein? Die Steppe, der Fluß und der Himmel … das war eine ganze, runde Welt, die man sich auf dem Rücken eines Pferdes erobern konnte.
    Borja und Bodmar gruben schweigend. Nur das Scharren der Schaufeln und das dumpfe Aufschlagen der Spitzhacken unterbrachen die Stille. Ab und zu machten sie eine Pause, lehnten sich gegen die Grabwand oder kletterten hinaus, setzten sich auf die Erde und tranken aus Borjas Riesenkanne heißen Tee. Er kochte ihn immer im Blumenzimmer der Leichenhalle, wo man in großen, gemauerten Becken die Blumengebinde ins Wasser stellte, damit sie nachher bei der Trauerfeier frisch waren. Hier hatten die Friedhofsgärtner auch ihre Geräte stehen. Es gab einen Kohleherd in dem Raum, und Borja hatte auf einem hölzernen Wandbrett seine Kücheneinrichtung aufgebaut: eine große und eine kleine Tasse, die blecherne Kanne, eine Büchse mit Tee, eine Büchse mit Tabak, drei Pfeifen und einen gewachsten Papierteller, den er auf einer Kirmes zusammen mit einer Frikadelle erstanden hatte und den er so praktisch fand, daß er ihn als ständiges Geschirr verwendete.
    »Wie willst du ihn umbringen, Töchterchen?« fragte Borja, als das Grab bald fertig war. Die Nacht war über Wolgograd gekrochen, eine helle, mondsilberne Nacht. Jetzt schimmerte die Wolga wie eine getriebene Riesenscheibe aus Silber, und die Boote auf ihr glitzerten wie Diamanten. Sie sind herrlich, die Nächte an der Wolga. Anders als eine Nacht am Rhein, an der Elbe, der Donau, am Mississippi, Ganges oder Amazonas. Auch dort spiegelt sich der Mond im Wasser und tanzt auf den Wellen … aber es fehlt diese himmlische Schwermut, diese aus dem Körper weggleitende Seele, dieses Einssein von Mensch und silberner Nacht. Ein Mensch, der an der nächtlichen Wolga sitzt, ist ein glücklicher Mensch, auch wenn ihm die Schuhe von den Füßen fallen. Wo anders ist das denkbar?
    Njuscha stützte den Kopf in beide Hände. Vor ihr dampfte der Tee im Becher. Borja lag schmatzend neben ihr, kaute an einem großen Stück Brot, und da er keine Zähne mehr hatte, weichte er jeden Brocken mit Speichel so lange ein, bis er zu Brei zerfiel und sich schlucken ließ. Vorher aber rollte er die Bissen im Mund hin und her. Sein ganzes Gesicht war dadurch in ständiger Bewegung. Bodmar saß neben Njuscha auf der Kabelrolle und aß eine kalte, gekochte Kartoffel. Auch das war Borjas Spezialität. Er war ein Liebhaber von Kartoffeln. Er verschlang sie kiloweise, meistens mit Salz und Butter beträufelt.
    »Ich weiß es noch nicht«, sagte Njuscha.
    »Das ist eine mangelnde Organisation«, knurrte Borja. »Man bringt einen Menschen nach Plan um. Im Krieg beschäftigt man dafür die besten Köpfe, um möglichst viele Menschen zu töten. Und hier ist es nur einer. Wir sollten uns besprechen, wie man es am besten macht.« Borja trank einen Schluck Tee und rülpste laut. »Er wird bewaffnet sein. Und er wird vorsichtig sein. Wie also soll es geschehen? Du gehst zu ihm, wenn er hinter der Mauer steht –«
    »Ja –«, antwortete Njuscha leise. Sie blickte hinüber zu dem Grab Kolzows und wurde ganz ruhig.
    »Was willst du ihm sagen?«
    »Hier bin ich, Genosse Tumow. Ich bin Njuscha Kolzowa …«
    »Unmöglich!« Bodmar fuhr

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