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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er.
    Njuscha nickte. Unbeweglich stand sie da. Völlig kalt war es in ihr. Keine Aufregung, kein Zittern der Hände, kein nervöses Zucken der Augen.
    Er hat Väterchen getötet, dachte sie bloß. Der Mann, der da kommt, ist ein Mörder. Er hat Dimitri Grigorjewitsch in den Tod getrieben, und er hat kein Mitleid gehabt mit einem alten Mann, der nichts getan hat, als seine Tochter zu schützen. So einer ist er. Kein Mensch mehr. Ein reißendes Tier! Eine Bestie, die man töten muß! Warum schießt man die Wölfe ab? Warum jagt man den Fuchs? Sie beißen die Kehlen durch vor Hunger … er aber hat einen Menschen getötet um des Tötens willen. Er ist grausamer als ein Wolf –
    Tumow blieb stehen. Er glaubte, einen Schatten gesehen zu haben und in diesem Schatten einen glühenden und wieder verlöschenden Punkt.
    Dort wartet sie, durchfuhr es ihn. Es war also kein Scherz … es war wirklich die Einladung zu einer Liebesnacht. Aber warum ausgerechnet an einer Friedhofsmauer?
    Er dachte an das Foto, das er im Schreibtisch seines Büros gelassen hatte. Nur den Brief hatte er mitgenommen. Er knisterte in der anderen Tasche des formlosen Anzugs.
    Tumow atmete schneller. Auf alles war er vorbereitet. Er hatte gebadet und sich mit Lavendel bespritzt, denn selbst er liebte den Geruch nicht, den die Uniform auf der Haut hinterläßt. Sogar zehn Rubel hatte er eingesteckt, falls die Unbekannte sich bezahlen ließ. Mehr auszugeben, war Tumow nicht bereit. Wir werden uns schon einig, dachte er belustigt, als er die Scheine abzählte. Im Brief klingt es allerdings so, als wolle sie kein Geld.
    Das schwache Glimmen erlosch. Njuscha warf die Papyrossa weg. Tumow war noch ungefähr zehn Meter von ihr entfernt. Auf der Mauer wackelte Borja aufgeregt mit der Nase und wagte nicht zu atmen. Keinen Husten, Madonna, o keinen Husten. Laß meine Lungen zu Stein werden. Bodmar, der hinter ihm lag, starrte mit verkniffenem Gesicht Tumow an. Ihm rann der Schweiß über Stirn und Augen, die Angst um Njuscha ließ seine Nerven zu zuckenden Fäden werden, an denen er wie eine Marionette hing. Er atmete keuchend und drückte beide Hände gegen den Mund, um jedes Geräusch zu ersticken.
    Tumow ging noch ein paar Schritte, dann blieb er stehen.
    »Sind Sie da, Schwänchen?« fragte er. Seine Stimme war klar und hell, als kommandiere er vor einer angetretenen Kompanie. »Warum bleiben Sie im Schatten? Treten Sie hervor. Welch einen Sinn soll jetzt noch das Versteckspielen haben?«
    »Ich bin hier –«, sagte Njuscha. Auch ihre Stimme hatte den ruhigen Klang einer normalen Unterhaltung. Bodmar begriff ihre Ruhe nicht. Ihr Herz muß doch platzen, dachte er. Welch ein Rätsel von Mensch wächst in diesem Land –
    »Dann kommen Sie zu mir –«
    »Ich bin nackt –«
    Borja verdrehte schrecklich die Augen. Die letzte Bemerkung Njuschas juckte in ihm und kratzte an seinen Lungen. Nicht husten, flehte er. Heiliger Stephan von Nurmski … nicht husten –
    Tumow spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß. Eine Hitzewelle überflutete ihn. Der Gaumen trocknete aus.
    Sie ist nackt. Sie steht da, wie auf dem Bild. Steht da im Schatten einer Friedhofsmauer. Das ist pervers … was könnte so etwas noch übertreffen? Eine nackte Teufelin … wo gibt es das sonst?
    Er ließ die Pistole los, zog sich die Krawatte herunter, öffnete den Hemdkragen und machte dann die letzten Schritte zur Mauer.
    Sechs Meter noch.
    Sechs Meter Leben … einen Meter weiter wartete der Tod.
    Tumow war bereits kein Lebender mehr, als er in den Schatten eintauchte und die Frauengestalt dicht an der Mauer wahrnahm.
    *
    Es ging sehr schnell, schneller, als es sich Borja ausgerechnet hatte. Und es geschah auch so, daß Njuscha sich keine Vorwürfe zu machen brauchte, daß ihre Seele rein blieb und ihr Gewissen blank wie ein Kupferkessel. Genau hatte es sich Borja ausgedacht, ohne mit den anderen darüber zu sprechen. Wozu auch, dachte er. Zuviel Wissen im voraus macht unsicher.
    »Du bist ja gar nicht nackt –«, sagte Tumow, als er die Gestalt an der Mauer erkannte. »Was soll das?« Er griff blitzschnell in die Tasche, zog seine Pistole heraus und entsicherte sie. »Warum hast du das Bild geschickt?«
    »Damit du kommst«, sagte Njuscha. »Nun bist du da, und wir werden uns amüsieren.«
    Tumow wurde wieder unsicher. Er sah sich schnell um, aber sie waren wirklich allein. »Hier an der Mauer?« fragte er.
    »Ja.«
    »Das ist verrückt.«
    »Warum?« Njuscha kam einen kleinen Schritt

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