Liebe am Don
offenzuhalten.« Er rollte die Zeitung zusammen und tippte Bodmar mit der Rolle gegen die Brust. »Siehst du, Söhnchen, das ist wieder etwas anderes. Würde ich diesen Deutschen sehen, dann dächte ich nicht an Rot oder Weiß. Dann würde ich ihn abliefern, damit sie ihn nach Sibirien schicken. Wie würdest du handeln, Sascha?«
»Wie du, Borjuschka. Die Welt ist ein Irrenhaus.«
Sie trennten sich. Njuscha fuhr zum Krankenhaus, Borja und Bodmar kehrten zum Friedhof zurück.
Der neue Tag verlangte das gewohnte Leben.
S ECHSUNDZWANZIGSTES K APITEL
Bei den Volkows war eine Panik ausgebrochen.
Iwan Feodorowitsch, der Großvater, lief klagend durch die Wohnung, spuckte seine Schwiegertochter an und nannte seine Familie einen Scheißhaufen. Sein Sohn, Arkadij Iwanowitsch, der Brigadier der Gärtner am Wolga-Ufer, raufte sich die Haare und begriff nicht, wie so etwas geschehen konnte. Die drei Kinder heulten und drückten sich in die Ecke.
Der Alarm war von Großvater ausgelöst worden. Er blickte ins Badezimmer, sah das Bett der Untermieter leer und unberührt und stieß sofort einen heiseren Schrei aus.
»Sie sind weg!« brüllte er durch die stille Wohnung und jagte damit die ganze Familie aus den Betten. »Unsere Untermieter sind weg! Diese schönen Rubelchen! An die Mütze kannst du dir jetzt dein Auto kleben, Arkadij Iwanowitsch, du Idiot von einem Sohn!«
Die Feststellung des Alten traf zu: Das Lager war unberührt, und man konnte sich auch nicht erinnern, daß die Untermieter in der Nacht gekommen waren. Bis elf Uhr abends war die Familie Volkow aufgeblieben, hatte Radio gehört und einige Partien Schach gespielt, dann ging alles ins Bett, denn ein Tag ist lang, und man muß ihn frisch und ausgeschlafen beginnen, sonst ist überall der Wurm drin.
Zunächst begann man die Tatsachen klarzustellen. Tatsache war: Die Kleider waren noch vorhanden, Unterwäsche, zwei Töpfe, eine Pfanne, die Decken. Aber dafür fehlten andere Dinge, die man glaubte, an Njuscha gesehen zu haben, und wenn sich Njuscha und Sascha wirklich aus dem Staub gemacht hatten, so war das, was sie zurückließen, von keinem großen Wert.
»Sie werden gebummelt haben«, sagte Arkadij heiser. »Jung sind sie, tanzen gern … sie kommen schon wieder.«
»Auch der längste Tanz ist beim Morgengrauen zu Ende«, keifte Großväterchen. »Jedes Bummeln hört einmal auf. Dann müßten sie wenigstens jetzt gekommen sein. Aber wo sind sie, he? Weg sind sie! Auf und davon! Man sollte sich die Nase eindrücken vor Kummer! Und wer ist schuld? Sie da!« Iwan Feodorowitsch zeigte auf die Volkowa. Sie kreischte auf und warf sofort mit einem Holzlöffel nach ihm.
»Dieser alte Ziegenbock!« schrie sie zurück. »Nur Unruhe kann er machen und Kot in seine Unterhosen. Ich habe unsere Gäste gepflegt wie die Bojaren.«
»Einen Fraß hast du gekocht!« brüllte der Alte. »Zu salzig, zu hart … mir wackelten die Zähne, nachdem ich deinen Kohl gekaut hatte. Wer kann das aushalten? Ich muß es, meinem Söhnchen Arkadij zuliebe.«
Arkadij warf sich heldenhaft zwischen seine Frau und seinen Vater. »Warten wir es ab!« donnerte er und gab beiden einen Stoß, daß sie auseinanderstoben und gegen die Wand fielen. »Vielleicht besuchen sie Verwandte?«
»Mitten in der Woche?« heulte Großvater Iwan. »Betrüge dich nicht selbst, Arkadij, wie der arme Mensch, der in die Hose pißt und sagt: Leute, es regnet. – Sie sind weg! Haben uns verlassen! Täglich vier Rubel haben wir verloren.«
Er setzte sich ans Fenster in einen Sessel und schluchzte. Die Trauer des Alten war echt, nur galt sie in erster Linie nicht den verlorenen vier Rubeln. Er trauerte vielmehr dem morgendlichen Anblick Njuschas nach, wenn sie sich mit bloßem Oberkörper wusch, die Brüste in das Waschbecken hielt und das Wasser darübersprühen ließ. Dann saß der Alte hinter seiner Zimmertür und starrte durch eine Ritze auf das schöne Bild. So begann für ihn jeder Tag mit großer Freude … wallenden Blutes erschien er am Kaffeetisch und verbreitete Behagen um sich. Die plötzlich gute Laune des Großvaters fiel allen Familienmitgliedern auf, aber man nahm sie ohne große Verwunderung hin. Er verkalkt, dachte Arkadij. Die einen werden bösartig, die anderen lallen. Großvater wird lustig. Ein gesegnetes Alter, Gott sei's gedankt.
Iwan Feodorowitsch beließ es nicht bei seinen Klagen … er machte sich nach dem trüben Frühstück auf den Weg zum Krankenhaus Nr. 1. Dort ließ er sich bei
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