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Liebe am Don

Liebe am Don

Titel: Liebe am Don Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mein Lieber, wenn's darauf ankommt, kann man vom einen Ende zum anderen spucken … Die Leute vom Don werden dich nie verraten, aber wie leicht ist es möglich, daß jemand aus Moskau nach Wolgograd kommt, irgendeiner vom Ministerium, und dann mußt du untertauchen in die grenzenlose Weite von Steppe und Taiga, mußt dich aufsaugen lassen von der Unendlichkeit Sibiriens –
    »Die Idee ist sehr gut!« rief der Inspektor.
    »Und Borja? Er weint schon jetzt, daß er wieder allein graben muß. Ein alter Mann ist er … man sollte das nicht vergessen. Er braucht einen Assistenten.«
    »Ich werde einen finden.« Der Inspektor wedelte mit der Hand durch die Luft. »Löcher in die Erde graben, dazu braucht man keine Intelligenz. Aber einer Witwe erklären, daß ihr toter Mann etwas Besonderes gewesen war, auch wenn er nur ein Schreiber war und an der Syphilis starb … das ist Kunst, Genosse! Und diese Kunst traue ich Ihnen zu. Kommen Sie, Sascha … wir probieren die Uniform gleich an –«
    Nach einer Stunde ging Bodmar wieder über den Friedhof zurück zu Borjas südlichem Teil. Der Alte wühlte sich in das neue Grab, die Volkowa war schon gegangen, und als Borja von unten herauf nur die grünen Hosen am Grab stehen sah, spuckte er aus und brüllte: »Geh aus der Sonne, Kerl! Immer diese grünen Frösche! Nichtstuer, Faulenzer, Tagestehler! Stehen da herum, machen Dienerchen und belügen die Trauernden. Was willst du hier?« Er blickte wütend hoch, erkannte Sascha, und der Mund blieb ihm offen. »Du –«, sagte er dann gedehnt. »Das haben sie aus dir gemacht? Ich schlage dem Inspektor den Schädel ein!«
    »Damit hat er gerechnet.« Bodmar setzte sich auf die große Kiste, die Borja überallhin mitschleppte, wo er ein Grab schaufelte. »Er läßt dir sagen, daß er einen neuen Gehilfen einstellen wird.«
    »Woher denn?« Borja sprang aus dem Grab und warf seinen Spaten wie einen Speer weg. »Lüge ist das, Söhnchen, eine infame Lüge. Wie eine Henne sucht er gackernd herum und findet keinen. Aber denken wird er noch an mich!« Er umging Bodmar wie ein Roßkäufer den Gaul und betastete die neue grüne Uniform. Dann kam ihm ein Gedanke, und dieser stimmte ihn sanfter. »Ein feines Kerlchen bist du jetzt, Sascha«, sagte er, grunzte wie ein Eber am Trog, setzte sich neben Bodmar auf die Kiste und drehte zwei dicke Zigaretten aus Zeitungspapier. »Ich will dir einen Trick verraten, wie man in deiner gehobenen Stellung Geld verdienen kann, von dem niemand etwas weiß. In jedem Beruf gibt's solche Tricks. Söhnchen, teilen wir uns den Gewinn? Bin ich dein Ziehväterchen, he?«
    »Das bist du, Borjuschka«, sagte Bodmar ehrlich. Was wäre er ohne Borja Aljexin geworden, das war wahr.
    Borja brannte die dicken Zigaretten an, stieß den beißenden Qualm von sich, hustete heiser und setzte dann zu einer Lektion über gefahrloses Geldverdienen an.
    »Du bist jetzt ein wichtiger Mann, Sascha«, sagte er. »Zu dir kommen die Hinterbliebenen, fragen dich, wie es dem Toten geht, und du sagst: ›Genossen, es geht ihm den Verhältnissen entsprechend gut. Er liegt warm und sauber im Raum VI.‹ Dann führst du sie hin, und während sie klagen und weinen, stehst du neben ihnen und beobachtest sie. ›Legen wir dem Lieben einen großen Strauß auf die Brust‹, sagst du dann. ›Er hat's verdient.‹ – Niemand wird dir im Angesicht des Toten widersprechen. Und du gehst hin, kaufst für fünf Rubel einen herrlichen Strauß, und die Hinterbliebenen werden dich einen wahren Freund nennen. Nun kommt der Trick, Söhnchen … am Grab stehe ich und schraube den Deckel zu, bevor wir den Teuren in die Erde senken. Vorher aber werfe ich den Strauß aus dem Sarg, ganz schnell, vor lauter herumliegenden Blumen merkt es keiner … und hinunter ist er, der Sarg … Wenn man es geschickt macht und die Sonne nicht zu heiß brennt, kann man solch einen Strauß viermal oder sechsmal verkaufen. Das sind zusätzlich für jeden von uns runde vierzehn Rubel. Bei einem Strauß nur, Söhnchen!«
    Man muß es neidlos gestehen: Borja war ein Genie. Es kostete ihn keine Überredung, Bodmar von diesem Geschäft zu begeistern. Als Sascha in Borjas erdverkrustete Hand einschlug, wußte er, daß – was immer auch kommen mochte – der Friedhof Nr. II von Wolgograd sein bestes und einziges Versteck bleiben würde.
    Borja umarmte ihn, küßte ihn auf beide Wangen und trabte dann zur Verwaltung zum Inspektor. »Ein guter Gedanke war's, Genosse«, sagte er, was den

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