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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
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»Demutsgebärde«. Darum – so meine ich – sperren sich viele dagegen: aus Angst davor, dass diese Demut ausgenutzt wird, sie zu demütigen. Es braucht großen Mut zu dieser Demut. Aber wenn sie aufgebracht wird, hat es eine befreiende Wirkung. Der Täter verneigt sich gleichsam vor dem Opfer, gleicht damit von seiner Seite das entstandene Täter-Opfer-Gefälle wieder aus und setzt damit das zerstörerische Täter-Opfer-Muster außer Kraft.
    Allerdings braucht es, damit das vollends gelingt, als Pendant dazu auch den Schritt des »Opfers«: Der Verletzte muss bereit sein, Verzeihung zu gewähren , und das heißt, die Verletzung nun seinerseits auch loszulassen: »Ich habe gehört, was du gesagt hast, und ich nehme es an. Ich verzeihe dir, und für mich ist damit die Sache in Ordnung gebracht!« Diesen Schritt machen viele Verletzte nicht, auch wenn ihnen von den Verletzern die Bitte um Vergebung ehrlich und glaubhaft entgegengebracht wird. »Das verzeihe ich dir nie!«, sagen sie. Oder sie sagen es zwar nicht so, aber bei jeder Kleinigkeit holen sie das ganze Sündenregister aus der Vergangenheit wieder hervor und machen den anderen damit nieder. Das heißt mit anderen Worten: Wenn der Verletzte die Verletzung verzeiht, verzichtet er auch auf etwas, nämlich auf eine durch die Verletzung entstandene Machtposition.
    Inwiefern ist der Verletzte in einer Machtposition ? In moralischer Hinsicht ist das Täter-Opfer-Gefälle gerade umgekehrt: Da ist der Täter »unten« und das Opfer »oben«. Durch Bestehen auf der Unverzeihlichkeit der Verletzungund durch Vorhalten des Sündenregisters versucht der Verletzte den Täter immer wieder in die »untere Position« zu bringen und sich so für dessen »Untat« zu rächen. Das ist zwar auch ein – durchaus verständlicher – Ausgleichsversuch, freilich einer, der sich als untauglich erweist. Denn durch diese Rache-Strategie kommt kein wirklicher Ausgleich zustande, sie provoziert nur eine endlose Vergeltungs-Spirale. Zu verzeihen heißt, die Sache endgültig gut sein zu lassen, also die Verletzung loszulassen. Das beinhaltet den Verzicht, sie als Waffe je wieder in Auseinandersetzungen hervorzuholen. Damit Verletzungen wirklich überwunden werden, ist dies der notwendige Beitrag, den der Verletzte nun seinerseits zu leisten hat.
Wiedergutmachen
    Das ist aber manchmal schwer. Bisweilen fühlen die verletzten Partner ganz deutlich, dass sie damit etwas aus der Hand geben, das ihnen bisher ein Stück Überlegenheitsgefühl gegeben hat. Sie spüren daher, dass sie, um diesen Verzicht zu leisten, noch etwas brauchen. Für alle Beteiligten erlösend kann hier die Idee von der Wiedergutmachung durch ein konkretes Tun sein. Was ist damit gemeint?
    Dazu ein weiteres Beispiel: Mit meiner inzwischen verstorbenen Frau Margarete war ich einmal zu Besuch bei Freunden. Margarete schwärmte von einem Seminar, das sie gerade hinter sich hatte, und vom Seminarleiter. Sie war so beeindruckt davon, wie er seine ungewöhnliche Methode zu handhaben verstand. Das ärgerte mich, und weil ich das nicht direkt sagen mochte, machte ich ständig abwertende Bemerkungen über ihre Begeisterung und zog sie ins Lächerliche. Das wiederum erboste sie, und als wir nachhause fuhren, hing der Haussegen endgültig schief. Daheim zog jeder sich schmollend auf sein Zimmer zurück. Sowollte ich den Sonntag aber nicht zu Ende gehen lassen. Ich ging zu ihr, sagte, dass mir klar sei, womit ich ihre Verstimmung verursacht hätte, und dass ich verstünde, sie damit verletzt zu haben, und sie hiermit um Entschuldigung bitte. Sie tat sich schwer, so direkt darauf einzugehen. Da kam mir die erlösende Idee, sie zu fragen: »Kann ich etwas für dich tun, womit ich das wiedergutmache? Ich möchte so gerne, dass das zwischen uns ausgeräumt wird und dass dieser Sonntag noch schön zu Ende geht!« Da hellte sich ihr Gesicht auf, und nach einiger Zeit des Überlegens meinte sie: »Gute Idee! Ich bin gerade dabei, den Workshop für nächste Woche vorzubereiten. In einer Stunde bin ich fertig. Da könntest du für uns beide ein schönes Abendessen gekocht haben! Dann ist die Sache für mich o.k.!« Obwohl meine Kochkünste nicht sehr ausgeprägt sind und mich dieser Vorschlag etwas unter Druck setzte, war ich doch heilfroh, auf diese Weise eine Möglichkeit bekommen zu haben, die Sache aus der Welt zu schaffen. Ich brachte ein ganz ordentliches Mahl zustande – und wir hatten noch einen schönen gemeinsamen Abend.
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