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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
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die Wunden, die einem ein naher Mensch, der Partner, die Partnerin, zugefügt hat? Man kann natürlich versuchen zu vergessen, man kann darüber hinweggehen, man kann so tun, als ob nichts gewesen wäre. Aber wer das versucht, weiß, dass es nicht wirklich geht. Es ist wie ein Verband, den man über eine Wunde wickelt, ohne diese angemessen versorgt zu haben. Sie heilt dann schlecht oder gar nicht, sie beginnt zu eitern, oder sie verheilt so schlecht, dass die Narbe bei jeder Berührung wehtut.
    Damit sind wir bereits bei einer ersten Voraussetzung für einen angemessenen Umgang mit Verletzungen: Man kann sie nicht dadurch heilen, dass man sie wegsteckt . Frühere Generationen, vor allem von Frauen, haben das häufig versucht. Oft haben sie sich dabei zugrunde gerichtet, sind psychisch oder physisch krank geworden. Auf diese Weise haben ihre Gefühle darauf bestanden, beachtet zu werden. Besser ist es also, die Verletztheitsgefühle gelten zu lassen, statt zu versuchen, sie zu ignorieren. Freilich kann es seinen guten Sinn haben, eigene mögliche Überempfindlichkeiten kritisch zu reflektieren und sie zu korrigieren. Aber es ist darauf zu achten, dass ich mir nicht selbst Überempfindlichkeit in die Schuhe schiebe, um etwas, das ich als Verletzung empfinde, unter den Teppich zu kehren. Verletzungen verschwinden dadurch nicht! Sie schwelen weiter und vergiften die Liebe.
    Eine ebenso ungeeignete Vorgehensweise – jetzt von Seiten dessen, der verletzt hat – ist es, dem Verletzten zu beteuern, dass ich ihn mit diesem oder jenem doch gar nicht verletzen wollte . In der Mehrzahl der Fälle wird das durchaus zutreffen, die meisten Verletzungen passieren nicht so, dass ich den anderen bewusst und absichtlich direkt verletzen wollte. Dennoch meinen viele Menschen, damit eine Verletzung ungeschehen machen zu können: »Aber das wollte ichdoch gar nicht!« Wie wirkt diese Beteuerung auf den anderen, der sich verletzt fühlt? Dass man ihm die Berechtigung seiner Gefühle abstreitet: Er soll sich nicht verletzt fühlen, weil es ja nicht die Absicht war, ihn zu verletzen! Häufig entsteht daraus nur Streit mit neuen Verletzungen, weil der Verletzte spürt, dass der andere nicht bereit ist, seine Gefühle zu respektieren. Dies ist also eine zweite Voraussetzung für einen heilsamen Umgang mit Verletzungen: Die Tatsache, dass der andere sich verletzt fühlt, muss ernst genommen werden . Es empfiehlt sich, nach dem Grundsatz vorzugehen: Ob ich den anderen verletzt habe, entscheidet sich nicht daran, ob ich das wollte oder nicht wollte, sondern an dem, was mein Tun oder Lassen bei ihm ausgelöst hat.
    Es geht also als Erstes darum, was geschehen ist, geschehen sein zu lassen, und auf den Versuch zu verzichten, es durch Verleugnen oder Wegreden ungeschehen machen zu wollen. Ich habe dabei allerdings von Voraussetzungen gesprochen, denn es ist klar, dass damit allein noch keine Heilung der Verletzung geschehen ist. Wie heilt man also Verletzungen? Fünf Dinge scheinen mir – durchaus in unterschiedlicher Akzentuierung und Abfolge – von Bedeutung zu sein, um in einer Paarbeziehung Verletzungen, die geschehen sind, überwinden zu können: Ansprechen – Verstehen – Anerkennen – Verzeihen – Wiedergutmachen.
Ansprechen
    Als Erstes ist es nötig, dass derjenige, der sich verletzt fühlt, diese Verletzung auch anspricht . »Er/Sie hat es ja nicht so gemeint«, »Ich bin aber auch empfindlich«, »Sei doch keine so beleidigte Leberwurst« (zu sich selbst gesprochen) und dergleichen – das sind Verleugnungsstrategien von Seiten dessen, der eine Verletzung empfindet, die sich auf dieDauer äußerst destruktiv auswirken. Sicher ist es angemessen, die eigene Empfindsamkeit zu überprüfen und sich zu fragen, ob und warum man zuweilen überreagiert. Dies kann ein wichtiger Beitrag zum konstruktiven Umgang mit Verletzungen sein. Aber das Verletzungsgefühl zu verdrängen oder zu verleugnen ist es sicher nicht. Denn die Verletztheitsgefühle rutschen so in den »Untergrund« – und wenn das Maß voll ist, kann es bei einem nichtigen Anlass zu einer dann tatsächlich völlig unangemessenen Reaktion kommen, die den anderen trifft wie der Blitz aus heiterem Himmel. Darum ist es besser, Verletzungen, die man empfindet, dem Partner/der Partnerin gegenüber möglichst bald deutlich und ernsthaft anzusprechen: »Du, das hat mich jetzt verletzt«, »Was du da sagst, kränkt mich«, »Ich habe mich gestern nach dem Gespräch sehr schlecht

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