Liebe auf Dauer
gefühlt …« Solche Äußerungen machen mich als Partner nicht gerade pflegeleicht, der stromlinienförmige Ablauf der Dinge wird dadurch gestört, aber solche Störungen sind nötig, damit es nicht zu destruktiven Entwicklungen kommt, die dann viel schwerer wieder umzusteuern sind.
Verstehen
Die Überwindung von Verletzungen scheitert oft daran, dass einer von beiden oder beide nicht verstehen, was eigentlich geschehen ist. Ein Beispiel: Bei Margot haben früher als erwartet die Presswehen eingesetzt. Margot meint, für die Klinik sei es jetzt ohnehin zu spät. Sie traut sich eine Hausgeburt zu und möchte die Hebamme, die gleich nebenan wohnt, dazurufen. Aber Josef ist dafür vollkommen unzugänglich, er nötigt sie ins Auto, rast in die Klinik, und voller Hektik und unter totalem Stress kommen sie gerade noch rechtzeitig an. Margot nimmt ihm das übel, aber Josef blockt ihre Vorhaltungen radikal ab. Nach seiner Meinung mussteer so handeln, wie er es tat, und damit basta. So fügt jedes Gespräch darüber der alten noch eine neue Verletzung hinzu. Zu einer Wende kommt es erst, als beide in einer Paarberatung aus einem gewissen Abstand nochmals auf andere Weise darüber sprechen können. Margot kann ohne Anklage Josef bitten, ihr doch mal zu erklären, was eigentlich damals in ihm vorgegangen sei, dass er gerade in dieser Situation so hart und unzugänglich geworden ist. Darauf kann Josef darüber zu sprechen beginnen, wie er gerade am Anfang ihrer Ehe noch mit dem Verdikt seines Vaters zu kämpfen hatte: »Du bringst ohnehin nichts zustande. Du bist viel zu weich und nachgiebig, und wenn Handeln angesagt ist, schreckst du zurück …« Gerade in dieser kritischen Situation damals fühlte er sich aufgerufen, das Gegenteil zu beweisen! Das war der wesentliche Grund seiner Härte und Sturheit.
Als Margot das erfuhr und aus der Art, wie er es erzählte, auch nachvollziehen konnte, was in Josef vorgegangen war, war ein wesentlicher Schritt zur Heilung der Verletzung getan. Das Verstehen Josefs aus seiner damaligen inneren Situation heraus ermöglichte es ihr, das Erlebte im Nachhinein anders zu sehen, und damit änderten sich auch ihre Gefühle. Genauso wichtig war es für Josef, dass er über diese Zusammenhänge endlich reden konnte. Denn diese wurden ihm selbst erst in diesem Gespräch so richtig deutlich. Vorher war es nur eine Ahnung, die er aber, weil er sich ja verteidigen musste, immer wieder zurückdrängte. Das gemeinsame tiefere Verstehen führte die beiden wieder zusammen . Es ermöglichte einen Ausstieg aus dem entstandenen Täter-Opfer-Muster. Beiden, Margot wie Josef, wurde deutlich, dass er, der Täter, auch ein Opfer war, dem Mitgefühl gebührte, und dass sie, das Opfer, auch zur Täterin wurde, indem sie mit immer wiederkehrender Anklage ständig auf seinen »wunden Punkt« einschlug.
Auch für dieses heilende Verstehen kann es von zentralerBedeutung sein, zum »Kind im anderen« und zu dessen Motiven für sein Handeln Kontakt zu bekommen. Das gilt übrigens oft auch in umgekehrter Richtung – vom »Täter« zum »Opfer«: Rudi versteht nicht, dass jeder liebevoll gemeinte Scherz Ulrike tödlich beleidigt. Er empfindet sie deshalb humorlos und als Spaßverderberin … Bis Ulrike ihm in einer ruhigen Stunde deutlich machen kann, dass sie ihren Brüdern immer als Belustigungsobjekt diente und dass sie darunter furchtbar gelitten hat. Sie hatte niemanden, der sie schützte, denn die Eltern bekamen das nicht mit. Er, Rudi, ihr erster Freund, war für sie die ersehnte Zuflucht, wo sie Achtung und Wertschätzung erfuhr. Und nun machte auch er sich noch lustig über sie … Als Rudi das erfuhr, konnte er einschätzen, was seine Scherze für Ulrike bedeuteten, musste sich nun nicht mehr verteidigen und konnte anerkennen, wie verletzend er damit für sie war.
Anerkennen
An diesem letzten Beispiel wird deutlich, dass es manchmal mit dem Verstehen allein noch nicht getan ist. In vielen Fällen ist es der wesentliche Schritt. Das Gefühl der Verletzung verschwindet. In anderen Fällen muss über das Verstehen hinaus noch etwas dazukommen: Nämlich dass der Täter/die Täterin die Tatsache, dass er sie bzw. sie ihn verletzt hat, ausdrücklich anerkennt .
Für Karoline mag es von größter Bedeutung gewesen sein, den Urlaub ohne Rücksprache mit ihrem Partner Moritz zu stornieren, weil sie plötzlich merkte, dass das ganze geplante Unternehmen für sie überhaupt nicht »stimmte« und sie wieder einmal in
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