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Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
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Wenn die Stereoanlage zu installieren ist, bestimmt beispielsweise der Mann, weil er sich da auskennt, und die Frau geht in die Rolle der Assistentin, die ihm zuarbeitet und sich nach seinen Anweisungen richtet. Wenn es aber darum geht, einen interessanten Roman als gemeinsame Ferienlektüre auszuwählen, bestimmt die Frau, und der Mann schließt sich ihrer Entscheidung an, weil sie sich in der Literatur viel besser auskennt. Solche Einseitigkeiten, die durch die jeweiligen Kompetenzen der Partner gegeben sind, sind keineswegs destruktiv. Allerdings ist dabei auf Zweierlei zu achten:
    Erstens wird es problematisch, wenn einer der Partner in allen Bereichen als der kompetentere gilt und darum alle Bereiche dominiert. Ich sage bewusst: Als der kompetentere gilt . Denn meistens entspricht das nicht der Realität und wird von einem oder beiden lediglich so definiert. Hier hat der »Schwächere« die Aufgabe, zu seinen Stärken zu stehen oder sie kräftig zu entwickeln, damit er auch seine Bereiche hat, in denen er sich stark und kompetent fühlt. Denn er wird oder bleibt sonst das »Kind« in der Beziehung. Irgendwann wird er sich dafür rächen, und sei es dadurch, dass er sich der Macht der Ohnmacht bedient und den alles Dominierenden mit Passivität, Verweigerung, Krankheit oder Depression schachmatt setzt.
    Zweitens kann es auch sehr problematisch werden, wenndie Aufteilung der Kompetenzgebiete dazu führt, dass einer den anderen darauf festzulegen beginnt: Er nimmt ihr sofort den Hammer aus der Hand, wenn sie sich ihn einmal greift, um selber einen Nagel einzuschlagen. Oder sie korrigiert ihn sofort, wenn er einem der Kinder eine Anweisung gibt. Das heißt, dass in einem solchen Fall Gefahr besteht, dass die Partner ihre – oft geschlechtsspezifisch definierten – Kompetenzbereiche gegeneinander auszuspielen beginnen. Weil sie ihn bei den Kindern nicht mitreden lässt, verfügt er allein über das Geld. Weil er allein über das Geld verfügt, kontrolliert sie durch Verweigerung oder »Gunsterweise« die sexuelle Beziehung der beiden und so weiter. Auch dieser Umgang mit Bestimmen und Sich-Anschließen wird auf die Dauer destruktiv und läuft auf einen ähnlichen »symmetrischen« Machtkampf hinaus wie dann, wenn beide ständig um denselben Bereich konkurrieren.
    Es hilft darum einem flexiblen und gleichwertigen Umgang mit der Macht in der Beziehung, wenn beide große Bereiche haben, in denen sie sich gleich kompetent fühlen und im flexiblen Wechsel imstande sind, die Führung zu übernehmen oder auch sich der Führung des anderen anzuschließen . So kann beispielsweise in einer sexuellen Begegnung mal von einem, dann wieder vom anderen ein Impuls kommen und wechselseitig aufgenommen werden. Oder in einer Diskussion macht mal der eine, mal der andere einen Einwand und bringt so das gemeinsame Gespräch voran. Oder bei der Planung eines neuen Hauses steuert mal der eine, mal der andere eine neue Idee bei. Immer ist dabei verlangt, dass ein und derselbe Partner in dem einen Moment initiativ wird und Führung übernimmt, im anderen Moment aber die Führung dem anderen überlässt und bereit ist, sich ihm anzuschließen. Dabei kann es natürlich auch immer wieder zu konkurrierenden Momenten kommen, in denen sich beide auch mal in kurze Machtkämpfe verhaken. Das muss nicht destruktiv werden, kann wie gesagt imGegenteil auch recht belebend sein, aber nur dann, wenn sich aufs Ganze gesehen immer wieder ein flexibles Wechselspiel zwischen Bestimmen und Sich-Anschließen einspielt.
    In diesem Zusammenhang spielen die so genannten Machtressourcen eine Rolle, über die jeder der Partner verfügt. Machtressourcen sind die Quellen, aus denen jemand seine Möglichkeit oder sein Recht schöpft zu bestimmen. Geld ist beispielsweise eine wichtige Machtressource, Kompetenz, wie wir gesehen haben, eine weitere. Physische Stärke, sexuelle Attraktivität, Kontakte zu wichtigen Bezugspersonen und dergleichen sind alles – jedenfalls auch – Machtressourcen, weil sie dem, der darüber verfügt, Einflussmöglichkeiten auf den anderen geben. Wenn jemand der Dominierende in der Beziehung ist, muss es nicht allein daran liegen, dass er sich im Verhalten dominant zeigt. Er kann seine Machtstellung in der Beziehung auch dadurch einnehmen, dass er über die Mehrheit der Machtressourcen verfügt. Bei einem Paar, mit dem ich gearbeitet habe, war die Frau die Tochter des größten Bauern am Ort. Zum Zeitpunkt ihrer Heirat war ihr Mann ihr

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