Liebe auf Dauer
Frau folgt ihm. So haben viele auch die Ehen ihrer Eltern erlebt. Gestützt wurde dies durch entsprechende kirchliche Ideologien. So war noch vor wenigen Jahrzehnten in einem Werk der katholischen Sozialethik vom Mann als dem Haupt und der Frau als demHerzen der Familie die Rede. Gleichzeitig haben viele von uns auch die Verlogenheit dieses Modells erlebt. Nicht selten zog die Frau und Mutter im Hintergrund die Fäden und dirigierte mit raffiniert getarnten Machtstrategien den Mann, der oft »das Haupt« nur nach draußen war, aber zum kleinen Jungen wurde, wenn er nachhause kam und von der Mutter-Frau versorgt werden wollte. Wie sich das beispielsweise auf die Sexualität auwirkte, steht freilich auf einem anderen Blatt. Nicht zuletzt deshalb lehnen heute alle jüngeren Paare ein solches Modell ab. Aber ähnlich wie bei der vorher besprochenen Polarität ist es auch hier: Solche Traditionen bestimmen unsere inneren Bilder von Mann und Frau und beeinflussen unser Handeln, jedenfalls dann, wenn wir es nicht bewusst reflektieren.
Die Nachwirkungen des alten Rollenmodells in Bezug auf die Machtverteilung wirken sich dabei heute nicht selten so aus, dass Frauen die alte, (scheinbar oder tatsächlich) gefügige Frauenrolle ablehnen und deshalb oft überbesorgt sind, sich ja nicht vom Partner bestimmen zu lassen. Dieser starre Widerstand aber führt bei ihm dazu, dass er sich dadurch in die Rolle des »Softie« gedrängt fühlt, die ihn zu sehr in Widerspruch mit den Resten seines traditionellen Männlichkeitsverständnisses bringt. Daraus resultieren Macht- und Konkurrenzkämpfe, mit denen sich Paare nicht selten das Leben sehr schwer machen. Wenn man nämlich den anderen nicht dazu bekommt, sich einem anzupassen, beginnt man ihn abzuwerten, um seine starke Position zu schwächen. Das aber hat genau den gegenteiligen Effekt. Der andere muss sich erst recht aufplustern und beginnt seinerseits sein Gegenüber abzuwerten: Die Aufrüstungsspirale ist im vollen Gang. Wenn Partner einander häufig abwerten, zerstören sie die Basis ihrer Liebe, und die Beziehung wird brüchig.
Macht und Liebe stehen in einer Beziehung keineswegs im Widerspruch. Zwei sich gleich mächtig fühlende Partner, die gleichzeitig bereit sind, die Macht und Stärke desanderen auch immer wieder anzuerkennen und zu achten, werden immer wieder auch aufeinander stolz sein können, und auch das belebt die Liebe in einem nicht zu unterschätzenden Maß.
Geben und Nehmen
Die Balance hinsichtlich dieser Polarität gelingt dann, wenn jeder der beiden die Erfahrung macht: Der andere investiert etwa gleich viel in die Beziehung wie ich selber. Es geht also hier um das innere und äußere Engagement für die Beziehung. Etwas feierlich ausgedrückt geht es um die Wechselseitigkeit der Hingabe: Ich gebe mich dir, und du gibst dich mir. Das drückt sich in vielen kleinen Alltäglichkeiten aus: etwas mitbringen, was der andere besonders gerne mag, nachfragen und zuhören, wie es dem anderen geht, den anderen stützen und unterstützen, wenn er es braucht, Initiativen für die Beziehung ergreifen, Ideen haben, was man miteinander unternehmen könnte, dem anderen das Herz öffnen, wenn einen etwas sehr beschäftigt, für ihn da sein, wenn er es braucht, und so fort. Balance heißt hier ebenfalls: Die Positionen wechseln immer wieder. Der eine gibt und nimmt, der andere nimmt und gibt. Es herrscht ein »hoher Umsatz von Geben und Nehmen« (B. Hellinger, in: Weber 1993, S. 22 ff.). In solchen Beziehungen entwickelt sich – im Gegensatz zu den erwähnten »Teufelskreisen« – ein positiv »sich selbst verstärkender« Kreislauf : Wenn ich vom anderen etwas bekomme, drängt es mich, meinerseits zu geben, und dieses Geben wiederum löst beim anderen auch wieder die Reaktion aus, geben zu wollen, und so weiter. Das heißt: Durch solch wechselseitiges Geben und Nehmen entsteht Bindung, und die Beziehung wird als ausgesprochen nahrhaft und emotional sättigend erlebt.
Wo sich das Geben-Nehmen-Muster dagegen polarisiert,beginnen auf die Dauer beide Mangel zu leiden. Der eine, der immer nur nimmt, bekommt zwar zunächst sehr viel. Aber je länger er nicht zurückgibt, desto aussichtsloser gerät er in die Position des Schuldners, der dem anderen nie mehr gerecht werden kann. Der immer nur Gebende hingegen erlebt sich auf die Dauer, je großzügiger und freigebiger er anfangs war, umso mehr als der Ausgebeutete. Wir stoßen hier auf einen eigenartigen Sachverhalt: Der
Weitere Kostenlose Bücher