Liebe auf Dauer
Liebende gibt ja nicht, um etwas wiederzubekommen. Er gibt aus Liebe. Und dennoch sind sein Geben und seine Liebe darauf angewiesen, dass vom anderen irgendwann etwas zurückkommt. Und natürlich entspricht es der Liebe nicht, Geben und Nehmen miteinander zu verrechnen, und trotzdem braucht der Gebende auch das Geben des anderen, damit er sich nicht irgendwann ihm gegenüber leer und ausgebrannt fühlt. Auch hier gilt wieder: Die Beziehungskonten müssen auch und gerade in diesem Punkt einigermaßen ausgeglichen sein, sonst entsteht die Gefahr, dass auch die großzügigste und heißeste Liebe schließlich verbrennt.
Das ist nicht so in hierarchisch strukturierten Beziehungen. Eltern geben ihren Kindern, ohne dass sie ja auf der selben Ebene von ihnen etwas zurückbekommen. Bei Lehrern ihren Schülern und Vorgesetzten ihren Mitarbeitern gegenüber ist das in ähnlicher Weise angemessen. Ihre »Gratifikation« besteht darin, zu erleben, dass die Empfangenden das, was sie bekommen haben, weitergeben an die ihnen derzeit oder in Zukunft Anvertrauten. Aber in einer gleichwertigen Beziehung muss Geben und Nehmen hin- und hergehen. Das ist ein wesentliches Merkmal ihrer Gleichwertigkeit. Geschieht es nicht und gerät einer der beiden hauptsächlich in die Rolle des Gebenden, der andere in die des Nehmenden, entsteht denn auch ein hierarchisches Gefälle : Der Gebende wird Quasi-Vater oder -Mutter, -Lehrer, -Vorgesetzter des anderen. Der Nehmende gerät in die Kind-, Schüler-, Untergebenen-Position. Damit erleidet dieEbenbürtigkeit Schaden. Wenn dann einer der beiden es anders erfährt, wenn der Gebende plötzlich einen trifft, von dem er endlich bekommt, und der Nehmende einen, dem er plötzlich mit vollen Händen geben kann, ist eine solch einseitige Beziehung dann häufig sehr schnell zu Ende.
Liebe braucht einen hohen Umsatz von Geben und Nehmen . Damit soll nicht gesagt sein, dass dieser Austausch immer genau auf der selben Ebene erfolgen müsste. Auch hier spielen die Stärken und Kompetenzen der Partner in ihrer unterschiedlichen Art eine Rolle. Bärbel kann auf eine liebe Art ihren Arno trösten, wenn ihm etwas schiefgegangen ist. Da tut dieser sich im umgekehrten Fall viel schwerer. Dafür kann Bärbel auf Arno hundertprozentig zählen, wenn sie sich in den Anforderungen der Abendschule, die sie gerade macht, mal wieder verheddert hat. Er ist dann vor allem anderen für sie da, klärt und hilft und unterstützt sie so lange, bis sie wieder Tritt gefasst hat. Auch wenn Bärbel ihn manchmal gern ein bisschen weicher hätte, erlebt sie das Geben und Nehmen zwischen ihnen deshalb doch recht ausgeglichen. Das, was sie von ihm bekommt, erlebt sie mindestens gleichwertig zu dem, was sie ihm gibt.
Etwas anders liegt es allerdings in einem anderen Fall: Moritz arbeitet sehr viel. Er nimmt auch noch Aufträge nebenher an und verdient damit eine Menge Geld, das zweifellos seiner Frau und seiner Familie zugutekommt, unter anderem in wunderschönen Urlauben, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Wenn er – oft schon recht spät – nachhause kommt, ist es allerdings noch immer nicht vorbei. Dann geht er in den Garten und baut an dem begonnenen Gartenhäuschen weiter, auf das sich die Kinder schon so freuen. Wenn er dann spät todmüde ins Bett fällt, hat er das Gefühl, den Seinen sehr viel gegeben zu haben. Anders geht es allerdings seiner Frau Adelheid. Sie freut sich zwar über die schönen Familienferien, und sie freut sich für die Kinder über das Gartenhaus. Aber für sich selbst hat sieimmer stärker das Gefühl, dass sie leer ausgeht. Sie selbst spürt von Moritz immer weniger. Er spricht kaum noch ein persönliches Wort mit ihr. Für sie sind Geben und Nehmen ganz und gar nicht in der Balance. Sie stellt Moritz zur Rede: Sie fühle sich immer mehr zu kurz gekommen und immer mehr als die, die allein noch etwas für die Beziehung tut. Moritz ist wie vor den Kopf gestoßen. Denn er fühlt sich doch als der ständig Gebende, der so viel für seine Familie tut, während es seine Frau mit ihrem sorglosen Leben doch eigentlich recht schön hat …
Hier stoßen wir wieder auf den typischen Frau-Mann-Unterschied, von dem bereits die Rede war. Das Muster des »Familienernährers« steckt den Männern so tief in den Knochen, dass sie das Gefühl haben, dann am meisten zu geben, wenn sie diese Rolle ausfüllen, indem sie viel Geld nachhause bringen und Haus und Garten in Schwung halten. Frauen wiederum verstehen Geben
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