Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Liebe auf Dauer

Titel: Liebe auf Dauer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Jellouschek
Vom Netzwerk:
gegenüber ein »Nichts«. Er stammt aus einer unbedeutenden Familie und hatte weder Geld noch eine abgeschlossene Ausbildung. Dann machte er Karriere und wurde nach einigen Jahren Sparkassendirektor, war Mitglied im Gemeinderat, Ortsvorsitzender der größten politischen Partei und Vorstand in mehreren Vereinen. Nun fühlte sich die Frau ihm gegenüber als Nichts, zumal die väterliche Landwirtschaft nichts mehr einbrachte und verkauft werden musste.
    Um eine ausgeglichene Machtbalance in einer Beziehung sicherzustellen, lohnt es sich also auch zu fragen: Wie steht es mit unseren Machtressourcen? Wie sind sie unter uns Partnern verteilt? Um es an einem drastischen Fall deutlich zu machen: Eine Frau mit zwei kleinen Kindern, ohne eigene Ausbildung und eigenes Geld gegenüber einem Mann, der ein elterliches Vermögen geerbt hat und in einemangesehen Beruf arbeitet – was wird sie durchsetzen können, wenn es hart auf hart geht? Natürlich hängt die Machtbalance nicht nur von den zur Verfügung stehenden Machtressourcen ab. Die innere Kraft, das Selbstbewusstsein, mit dem der eine Partner dem anderen gegenübertritt, kann die ausschlaggebende Rolle bei der Machtverteilung spielen. Aber Kraft und Selbstbewusstsein beziehen wir oft gerade auch daraus, dass wir auf bestimmte Machtressourcen zurückgreifen können, oder wir fühlen uns dem anderen gegenüber schwach dadurch, dass sie uns fehlen.
    Die Frage nach der Ausgeglichenheit der Machtressourcen ist also in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Wenn es hier eine Unausgewogenheit gibt, ist danach zu fragen, wie diese ausgeglichen werden kann. Oft ist das – in gewissen Phasen des Familienlebens – kaum möglich, weil beispielsweise der Mann das ganze Geld verdient, die Frau wegen der Kinder mit ihrem Beruf pausiert und ihre außerfamiliären Kontakte zur Gänze verloren hat und so weiter. Hier ist ein »quantitativer« Ausgleich nicht möglich. Qualitativ beziehungsweise psychologisch kann er trotzdem geschaffen werden, indem man nämlich hinsichtlich der eigenen Machtquellen dem Partner Zugang und Transsparenz verschafft. Beispielsweise gibt der alleinverdienende Mann seiner Frau eine Kontovollmacht und informiert sie regelmäßig über sein Finanzgebaren. Und die Frau erzählt ihm regelmäßig, was den Tag über bei den Kindern gelaufen ist, wo sie gerade stehen und was sie von ihm gerade brauchen, und sie lässt es zu, dass er, wenn er mal Zeit hat, mit ihnen so umgeht, wie es seine Art ist. Jeder der Partner macht seinen Machtbereich für den anderen transparent und zugänglich, sodass dieser nicht den Eindruck hat, davon ausgeschlossen zu sein. Auch dadurch wird ein Ausgleich geschaffen, auch wenn objektiv vielleicht ein unausgeglichenes Oben-Unten-Gefälle in dem einen oder anderen Bereich bestehen bleibt.
    Der faire, ausgewogene Umgang mit Macht zwischen den Partnern hat eine zentrale Bedeutung für den Erhalt oder den Verlust der Liebe. Ein Ohnmächtiger fühlt sich abgewertet und beginnt auf die Dauer den Mächtigen zu hassen. Ein dauernd Dominanter beginnt den Dominierten zu verachten. Oder auch er sammelt Wut an, weil er immer den Kopf hinhalten muss, während der andere sich vornehm zurückhält. Partnerliebe braucht darum Gleichwertigkeit vor allem im Bereich der Macht. Ein einseitig fixiertes und erstarrtes Oben-Unten-Verhältnis zwischen Mann und Frau entweder in der einen oder in der anderen Richtung ist mit der Liebe unter Gleichwertigen nicht vereinbar.
    Die Bedeutung einer ausgewogenen Machtbalance für die Liebe ergibt sich auch noch aus einem anderen Grund: Wenn sich der andere von mir nie bestimmen lässt, muss ich mich fragen, was ich ihm eigentlich wert bin. Wenn ich aber die Erfahrung mache, der andere lässt sich in diesem oder jenem Punkt von mir etwas sagen, er richtet sich nach meiner Meinung, er nimmt meine Impulse auf, heißt das ja: Ich habe Einfluss auf ihn. Also bin ich ihm wichtig. Dem anderen wichtig zu sein gehört zur Liebe unmittelbar dazu, denn wenn dieses Gefühl, vom anderen geschätzt und geachtet zu werden, fehlt, kann es mit seiner Liebe zu mir nicht weit her sein.
    Bei der Verwirklichung einer ausgewogenen Machtbalance stellen sich – ähnlich wie bei der Ausbalancierung von Autonomie und Bindung – auch dazu entschlossenen Paaren Hindernisse entgegen. Auch was Bestimmen und Sich-Anschließen angeht, favorisiert das traditionelle Rollenmodell eine eindeutige Polarisierung zwischen Mann und Frau. Der Mann bestimmt, die

Weitere Kostenlose Bücher