Liebe auf Dauer
von Maria? Wenn Maria vorher durchaus Lust hatte und befriedigende Sexualität mit Manfred erleben konnte, ist davon auszugehen, dass das Verschwinden der Lust bei ihr etwas mit der Gesamtsituation des Paares und der Familie und damit auch mit Manfred zu tun hat . Es wäre zum Beispiel zu fragen, inwiefern überhaupt Lust und Muße im weitesten Sinn in ihrem Leben noch eine Rolle spielen. Wenn sie zum Beispiel nur noch arbeiten und Pflichten erfüllen und wenn Martin aufgrund der häuslichen Situation und beruflicher Probleme immer nur mürrisch ist und sich zurückzieht, ist es kein Wunder, dass sich bei einem von beiden, und meist ist das bei der Frau, auch die sexuelle Lust verabschiedet.
Das Problem zum gemeinsamen Problem zu machen, würde hier bedeuten: Manfred müsste seine Mitwirkung am Entstehen des Problems erkennen und anerkennen . Das »Symptom« der sexuellen Lustlosigkeit macht auf ein Problem aufmerksam, zu dem beide beitragen und das darum auch von beiden gelöst werden muss, nicht nur vom »Symptom-Träger«, in unserem Fall von Maria. Darum ist auch hier Sich-Verbünden angesagt und nicht Distanzierung und einseitige Zuschreibung von Seiten Manfreds.
Anders wiederum ist es im Fall von Jakob: Wenn er Konflikte mit seinen Teamkollegen hat, wenn er mit seinemChef im Clinch liegt, tut seine Partnerin Marga nichts dazu. Das ist ja sein beruflicher Bereich, den sie, die in einer Behörde arbeitet, kaum kennt. Was heißt hier: »Das Problem des einen zum gemeinsamen Problem machen«? Wenn Jakob von seinem Problem redet, schmeißt er mit technischen Begriffen um sich, von deren Bedeutung sie keine Ahnung hat. Aber geht es dabei um die Technik? Würde sie genau hinhören, würde sie – was so gut wie immer der Fall ist – merken und verstehen, dass es um menschliche und zwischenmenschliche Probleme geht. Das Problem des anderen auch zu seinem machen würde hier bedeuten, sich auf den anderen einstellen, sich für seine Situation interessieren, mit ihm zu verstehen suchen und tiefer erfassen, worum es hier eigentlich geht. Beide begeben sich gemeinsam auf den Weg des Verstehens und der Lösungssuche. Umsetzen muss es natürlich Jakob, aber wenn er seine Frau daran interessiert und ihm den Rücken stärkend erlebt, fühlt er sich nicht allein, sondern wohlwollend unterstützt von ihr. Freilich setzt das voraus, dass Jakob sein Problem auch äußert, dass er darüber spricht, dass er Marga für sich in Anspruch nimmt. Das tun viele, vor allem Männer, häufig nicht, weil sie entweder »keine Probleme haben dürfen«, weil sie meinen, der andere würde sie ohnehin nicht verstehen oder weil sie glauben, sie müssten ihn davor verschonen. Auch dieser Anteil ist also zu überprüfen: Wage ich es, mit meinem Problem den anderen zu »behelligen«? Wage ich als »Problemträger« von meiner Seite Gemeinsamkeit hinsichtlich des Problems?
Diese Frage stellt sich noch schärfer, wenn es um Probleme geht von der Art psychischer oder physischer chronischer Krankheiten oder Behinderungen. Ein Partner hat zum Beispiel Krebs, oder er hat einen Unfall erlitten, der eine bleibende Beeinträchtigung zurücklässt, oder er hat immer wieder mit massiven depressiven und manischenPhasen zu kämpfen, leidet also, wie die Krankheit im Fachjargon heißt, an »Zyklothymie«. Natürlich ist der Partner hier in aller Regel nicht an der Entstehung des Problems beteiligt. Über eine solche Mitbeteiligung zu spekulieren kann sogar sehr destruktiv sein, weil dies nur Schuldgefühle erzeugt und aus Schuldgefühlen selten konstruktive Lösungsstrategien entstehen (Jellouschek 2002c). Aber natürlich ist der Partner von einem solchen Problem massiv mit betroffen – und er spielt eine zentrale Rolle für eine gute Problembewältigung .
Es geht in einem solchen Fall häufig nicht mehr um eine Lösung im Sinn der Beseitigung des Problems. Denn die ist oft nicht mehr möglich. Bei der körperlichen Behinderung ist es eklatant, bei Krebs und psychischen Krankheiten muss jedenfalls mit einer bleibenden Anfälligkeit dafür gerechnet werden. Darum heißt Problembewältigung hier vor allem, mit dem Problem leben zu lernen , und zwar möglichst gut. Wie können wir uns als Paar verhalten, damit es möglich wird, trotz des Krebses, trotz der psychischen oder physischen Beeinträchtigung gut miteinander zu leben? Welche Herausforderungen an dich und an mich enthält diese Situation zum Beispiel auch, uns neue Bereiche zu erschließen, auf die wir ohne
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