Liebe auf Dauer
ihrer Seite definiert. Und zweitens: Er selbst tut so, als ginge ihn persönlich die ganze Sache nichts an – »Ich halt mich da raus!« Damit stellt er sich nicht an ihre Seite, sondern distanziert sich von ihr.
Wenn darum in der Paartherapie der Satz fällt: »Das ist aber das Problem meiner Frau/meines Mannes«, habe ichmir angewöhnt, die Gegenfrage zu stellen: »Und wenn Ihre Frau/Ihr Mann damit ein Problem hat, ist das für Sie kein Problem?« Damit will ich sagen: Du bist zwar ein Individuum, aber du bist auch Teil eines Paares. Was deinen Partner betrifft, betrifft damit euch als Paar, und damit auch dich als Partner! Wenn gesagt wird: »Das ist dein/sein oder ihr Problem«, dient es meist der abwertenden Beschuldigung des anderen und der eigenen Selbstdistanzierung. Demgegenüber meine These: Wenn einer ein Problem hat, sind immer beide betroffen. Darum kann zwar die Verantwortung für das Problem und seine Lösung verschieden verteilt sein, aber keiner der beiden ist aus der Verantwortung dafür vollständig entlassen. Das heißt mit anderen Worten: Wenn einer ein Problem hat, ist es angesagt, dass beide sich hinsichtlich dieses Problems miteinander verbünden, anstatt dass einer den anderen an die Front schickt und sich selbst in die hinteren Linien zurückzieht.
Leider passiert Letzteres häufig. Iris hat große Probleme mit ihrem Jüngsten. Wenn sie dann darüber klagt, gibt Martin Ratschläge, wie sie es anders machen müsste. Darauf Isolde: »Du hast gut reden, mach doch selber mal, dann wirst du schon sehen!« Darauf Martin: »Würd ich ja auch gerne, aber wie soll ich, wenn ich den ganzen Tag weg bin!« Darauf sie: »Das ist jetzt die Standardausrede. Wenn du wolltest, könntest du dich sehr wohl öfter um ihn kümmern …« Bei dieser Art von Umgang mit dem Problem läuft etwas fundamental schief. Isolde meldet das Problem mit ihrer Klage an. Mit seinem besserwisserischen Ratschlag distanziert sich Martin davon und schiebt es ihr zu. Das spürt sie, und darum schiebt sie es nun ihrerseits ihm zu. Dagegen wehrt er sich und schiebt es ihr wieder zurück. So geht es weiter, bis am Schluss jeder die Verantwortung ganz auf den anderen geschoben hat und weit von sich weist. Statt sich miteinander zu verbünden und das Problem miteinander zu lösen, wird es hin- undhergeschoben und bleibt ungelöst. Und nicht nur das: Das ursprüngliche Problem »kriegt auch noch Junge«. Es kommen neue Probleme hinzu und erschweren die Gesamtsituation erheblich. Ursprünglich ist der kleine Sohn von Iris und Martin das Problem. Jetzt – nach dieser unerquicklichen Auseinandersetzung, haben sie auch noch ein erhebliches Beziehungsproblem miteinander: Sie wirft ihm vor, sich nicht zu kümmern, und er wirft ihr Erziehungsunfähigkeit und Verständnislosigkeit für seine Arbeitssituation vor. Damit ist nicht nur das ursprüngliche Problem nicht gelöst, es entsteht vielmehr ein Problemwust, der unter Umständen für den Gesamtbestand der Beziehung gefährlich zu werden droht.
Das Problem des einen ist auch das Problem des anderen
Wenn in einer Paarbeziehung einer ein Problem hat, ist es immer auch das Problem beider. Freilich ist das je nach Problemart sehr unterschiedlich der Fall. Ich will darum einige typische Problemkonstellationen aufzeigen. Dies kann die tatsächliche Vielfalt keineswegs erfassen, soll aber dennoch eine gewisse Orientierung geben:
Dass das geschilderte Problem mit dem kleinen Sohn das gemeinsame Problem von Iris und Martin ist, ist unmittelbar einzusehen, handelt es sich doch um ihr gemeinsames Kind. Außerdem kann man hier auch von Vornherein annehmen, dass der Kleine mit den Schwierigkeiten, die er macht, auch auf die Gesamtfamiliensituation reagiert, die von der häufigen Abwesenheit von Martin und der faktischen Alleinverantwortlichkeit von Iris geprägt ist. Hier und in ähnlich gelagerten Fällen wäre es also höchst sachgerecht, wenn beide davon ausgingen, dass siesowohl an der Problementstehung beteiligt als auch für die Problemlösung gemeinsam verantwortlich sind .
Bei anderen Problemen ist das weniger deutlich. Sie lassen sich sozusagen leichter dem anderen in die Schuhe schieben. Beispiel: Maria hat seit dem zweiten Kind einfach keine Lust mehr auf Sexualität. Da Manfred nach wie vor große Lust hat, meint er, das sei ihr Problem, und Maria neigt zur selben Ansicht und setzt sich unter Druck – was natürlich noch mehr Lust-Verlust zur Folge hat. Ist das tatsächlich nur das Problem
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