Liebe auf Dauer

. Martin muss sagen: Ja, ich sehe, da liegt ein großer Teil auch an mir. Ähnlich verhält es sich mit anderen Problemen: Die oben erwähnte sexuelle Lustlosigkeit beispielsweise oder die Überforderung oder depressive Verstimmung des anderen kann ein »Symptom« für den Qualitätsverlust der ganzen Beziehung sein. Auch hier gilt es, dass der Partner seinen Teil daran anerkennt und zu sich nimmt. Immer ist also danach zu fragen: »Was als ›dein‹ Problem erscheint – inwiefern bin ich mit daran beteiligt? Den Teil, der meiner ist, erkenne ich an und nehme ihn in meine Verantwortung!« Sicher trifft das nicht in jedem Fall zu, aber es lohnt sich immer, danach zu fragen und dafür offen zu sein. Das entlastet den Problemdruck des »Symptom-Trägers« erheblich und stiftet eine Gemeinsamkeit, die für den nächsten Schritt von größter Bedeutung ist.
Dritter Schritt: Wir erarbeiten gemeinsam Lösungsstrategien .
    Bei Iris und Martin sieht das vielleicht so aus: Unser Kleiner braucht mehr Aufmerksamkeit und Zuwendung. Dafür aber braucht Iris Entlastung durch eine zusätzliche Kinderbetreuung. Und es ist nötig, dass Martin öfter ausdrücklich auf seinen Kleinen zugeht und gezielt mit ihm etwas unternimmt.
    Natürlich werden sich solche Lösungsstrategien je nach Problemlage sehr voneinander unterscheiden, vor allem wenn es sich um Probleme handelt, an deren Entstehung der Partner tatsächlich nicht beteiligt ist. Bei einem chronisch Erkrankten kann der gesunde Partner zum Beispiel eine wesentliche Hilfe für die gemeinsame Krankheitsbewältigung dadurch sein, dass er dafür sorgt, dass dieKrankheit nicht zum ausschließlichen Mittelpunkt der Beziehung wird, auf den sich alle Aufmerksamkeit konzentriert, sondern immer wieder Initiativen entfaltet, die die Aufmerksamkeit vom versehrten Leben weg auf die trotzdem noch vorhandenen Möglichkeiten von freudvoller Gemeinsamkeit lenken.
Vierter Schritt: Die Partner gehen an die Umsetzung ihres Teils der Problemlösung und evaluieren dabei immer wieder das Ergebnis.
    Wieder an Iris und Martin aufgezeigt: Iris engagiert einen Babysitter, Martin beginnt, immer wieder mal mit dem Kleinen allein in den Wald zu gehen und ihn ab und zu auch ins Bett zu bringen. Die beiden sprechen immer wieder darüber, wie es ihnen damit geht, was für Erfahrungen sie machen und ob es schon irgendwelche Auswirkungen gibt.
    Dieser Schritt ist aus mehreren Gründen sehr wichtig: Zunächst hilft dieser Austausch, dass beide »dran« bleiben. Veränderungen im bisherigen Verhalten sind immer schwierig, weil sie nicht in den bisherigen Ablauf passen, und es gibt immer den Sog zurück zum Alten, auf das bisher alles eingespielt war. Veränderungen brauchen viel Energie und hohe Aufmerksamkeit. Das fortlaufende Gespräch darüber hält wach.
    Außerdem kann so deutlich werden, dass Änderungen der bisherigen Strategie nötig sind. Der Babysitter ist vielleicht nach einiger Zeit gar nicht mehr nötig, weil sich herausstellt, dass es vor allem der verstärkte Kontakt des Kleinen zu Martin ist, der ihn wieder stabilisiert. Oder aber in die andere Richtung: Es kann sein, dass alle bisherigen Lösungsstrategien nichts bringen und dass man als neuen Schritt in einer Kindertherapie neue Wege suchen muss.
    Schließlich vermittelt diese fortlaufende Reflexion auch Erfolgserlebnisse. Wenn Iris und Martin erleben, dass dieMaßnahmen greifen, können sie sich darüber freuen. Im besten Fall haben die beiden am Ende dann vielleicht das befriedigende Gefühl: Wir haben ein schwieriges Problem miteinander bewältigt. Wir sind ein tolles Paar!
    Damit wird nochmals sichtbar, welche Bedeutung für die Beziehung es haben kann, wenn Paare Probleme zu ihren gemeinsamen Problemen machen: Gemeinsame Problembewältigung verschafft gemeinsame Erfolgserlebnisse . Gemeinsame Erfolgserlebnisse wiederum stärken das Selbstbewusstsein des Paares. Sich gemeinsam stark und effektiv zu erleben ist eine nahrhafte Quelle für die wechselseitige Liebe. Das geht natürlich bei sehr vielen Problemen, die den anderen oben geschilderten Kategorien angehören, nicht immer so glatt und schnell, wie ich mit meinem Beispielpaar den Anschein erweckt habe. Aber auch viel langwierigere und weniger sichtbar erfolgreiche Problemlösungswege, die von den Partnern gemeinsam und in kooperativer Unterstützung gegangen und durchgehalten werden, bewirken Ähnliches für die Liebe: eine tiefe Verbindung der Partner miteinander, die als Frucht aus dem