Liebe auf den ersten Klick
wo es köstlich nach in Knoblauch gebratenem Hühnchen riecht, und gehe die mit fadenscheinigem rosa Teppichboden belegten Stufen hinauf. Nana ist in dem kleinen Bad neben ihrem Schlafzimmer und versucht vergeblich, den Stöpsel in den Abfluss der Badewanne zu bekommen. »Was machst du denn da? Moment, ich helfe dir.«
»Verdammt! Auf Krücken schaffe ich es auch nicht, weil ich mich nicht tief genug bücken kann!«
Ich drücke den Stöpsel hinein, drehe die Hähne auf und schütte Schaumbad ins Wasser.
»Würdest du bitte auch noch etwas von dem Badeöl reinmachen?« Ich nehme das Fläschchen und gebe einen Spritzer dazu. Ein süßlich-erdiger Duft breitet sich im Badezimmer aus.
Ich schiebe Nana vor den Spiegel. »Es ist ein wunderschöner Tag zum Heiraten.«
»Aber sieh dir bloß die Braut an – eine klapprige alte Schachtel in einem Rollstuhl.«
»Sag doch so etwas nicht.« Ich bürste ihr Haar, damit ich es auf Wickler drehen kann, bevor sie in die Wanne steigt.
Sie zuckt zusammen. »Aua, das ziept!«
»Entschuldige bitte.«
»Am Hinterkopf soll es aber nicht auftoupiert sein. Ich will nicht wie eine Rentnerin auf Butterfahrt aussehen.«
»Wirst du nicht. Du wirst wunderschön aussehen.«
»Früher habe ich es mit ein bisschen Aufwand noch geschafft, mich schön herzurichten, aber das ist Vergangenheit.«
»Du wirst immer wunderschön sein. Sieh dir bloß mal deine Wangenknochen an.«
»Findest du nicht, dass das Kleid ein bisschen zu viel des Guten ist?«
Ich sehe zu Nanas langem, schlicht geschnittenem Kleid hinüber, das an der Schranktür im Schlafzimmer hängt. Es ist gebrochen weiß mit halblangen Ärmeln und hinten leicht gerafft. Es ist absolut perfekt. »Was soll daran zu viel des Guten sein?«
»Ist es nicht ein bisschen zu jugendlich?«
»Nein. Was soll das? Steckst du plötzlich in einer Alterskrise?«
»Die Nerven … und außerdem … dass ich in diesem Ding festsitze. Es macht mich wahnsinnig. Ich hasse diesen potthässlichen Stuhl, verdammt noch mal!« Tränen steigen ihr in die Augen. Ich halte mitten in der Bewegung inne und drücke beschwichtigend ihre Schulter. »Ich weiß, dass sich das seltsam anhört, aber gerade heute fehlt mir dein Großvater so sehr.« Ihre Stimme bricht.
»Ich weiß.«
»Ich dachte, irgendwann würde das Bedürfnis verschwinden, ihm alles zu erzählen, was jeden Tag so passiert.« Ich setze mich neben sie und nehme ihre Hand. »Ich weiß, dass er nicht mehr bei uns ist. Ich habe mich lange damit auseinandergesetzt und … und es geht mir ja auch gut … Es ist nur so, dass ich es manchmal vergesse und ihm eine Tasse Tee mache oder denke, dass ich ihm unbedingt dieses oder jenes erzählen muss, und dann fällt mir plötzlich wieder ein, dass er ja gar nicht mehr hier ist. Und das ist jedes Mal wieder ein Schock für mich.« Sie hält inne, um sich die Nase zu putzen, während ich gegen die Tränen anblinzle und ihre Hand drücke. So offen hat sie noch nie darüber gesprochen. Eine in Tränen aufgelöste Enkeltochter ist das Letzte, was sie jetzt brauchen kann, trotzdem entgeht ihr nicht, dass auch ich weinen muss.
»Fang du bloß nicht auch noch an!«
»Ich kann doch nichts dafür!« Nun heulen wir beide wie zwei verlassene Kinder im Wald.
»Mein Gehirn ist einfach auf das Leben programmiert, das wir all die Jahre geführt haben, deshalb denke ich jeden Morgen für den Bruchteil einer Sekunde, dass er neben mir liegt. Erst dann merke ich, dass es nicht so ist. Weil ich etwas völlig Unerwartetes tue.«
»Was denn? Reggie heiraten?«
»Ja!« Sie lacht und wischt sich die Tränen ab, dann sehen wir einander an.
»Aber er macht dich auch glücklich, oder?«
»Ja, das tut er.«
»Gut, denn ich will, dass du glücklich bist. Und Opa würde es auch wollen.«
»Das weiß ich.« Sie beugt sich vor, um mich in die Arme zu schließen, und atmet hörbar den Geruch meines Haars ein. Nach einer Weile lässt sie mich mit einem tiefen Seufzer los. »Wie auch immer … Es geht mir gut. Aber was ist mit dir, Vivienne? Und wo ist Max?« Beim Klang seines Namens durchfährt mich ein Schauer.
»Tja, das ist die große Frage.«
»Das habe ich gelesen.«
»Gelesen?«
»In der Gazette .« Sie deutet auf ihre Frisierkommode. »Sieht ganz so aus, als hätte deine Facebook-Suche einigen Wirbel verursacht.« Die Zeitung ist auf Seite sieben aufgeschlagen. Am unteren Blattrand steht eine kleine Kolumne. Ich lese die Überschrift: »Verliebte Frau sucht via Facebook
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