Liebe auf den ersten Klick
reinhängt.
»Könnte ich nicht das Protokoll schreiben? Obwohl – nein, im Protokollschreiben bin ich eine völlige Niete. Das wird nie im Leben was.«
»Schon gut, Christie. Ich kriege das schon irgendwie hin.«
»Nein, ich hab’s! Mein Freund Nigel ist Modedesigner. Na ja, eigentlich studiert er noch, aber er hat wirklich Talent. Vielleicht könnte er dir ja eines seiner Modellkleider leihen. Ich hab das auch schon mal gemacht … mir etwas von ihm geliehen, als ich ein echtes Killerkleid brauchte.«
»Ehrlich?« Wofür könnte Christie schon mal ein Kil lerkleid gebraucht haben? Für den Bruchteil einer Sekunde erwacht meine Neugier, ehe mir wieder einfällt, dass Christies Styling-Ideen so ausgeflippt sind, dass sie sich ziemlich oft damit zum Gespött der Leute macht. So wie damals, als sie mit diesen weißen Fellstulpen ankam und sich alle vor Lachen kugelten.
»Danke, das ist echt süß von dir, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Designer Sachen in meiner Größe anfertigt.«
»Was trägst du denn? Vierzig?«
»Sechsunddreißig!«, schnaube ich. Ihr Blick fällt auf meine Hüften. »Okay, bei manchen Marken achtunddreißig.«
»Fragen kostet nichts. Das Kleid, das er mir letztes Mal geliehen hat, war sensationell. Absolut atemberaubend. Wenn er etwas hat, könnte er es doch einfach heute Nachmittag vorbeibringen. Er ist gleich drüben in St. Martins. Ich frage ihn einfach mal. Vielleicht werden deine Gebete ja erhört.«
Würden meine Gebete erhört werden, müsste schon etwas ganz anderes passieren. Andererseits müsste ich in diesem Fall nicht panisch durch die Stadt laufen und bei fürchterlichem Licht in muffigen Umkleidekabinen Tausende Kleider anprobieren. »Okay. Einen Versuch ist es sicher wert.« Ich sehe in ihr erwartungsvolles Gesicht. »Danke.«
»Kein Problem.« Sie lächelt. »Jetzt fühle ich mich schon viel besser, Viv.«
»Prima.«
»Zu hören, wie dein Leben momentan aussieht, hat meinen eigenen Mist in ein völlig neues Licht gerückt.« Sie steht auf und streicht ihren Rock glatt.
»Das freut mich zu hören.« Ich zaubere mir ein zuckersüßes Lächeln aufs Gesicht.
»Ich bin dann mal in der Mittagspause. Soll ich dir was mitbringen?« Ich schüttle den Kopf und sehe ihr nach, als sie das Büro verlässt. Dann schnappe ich ihre Unterlagen und mache mich an die Arbeit. Eine Stunde später habe ich gerade einmal den ersten Absatz fertig. Ich kann mich beim besten Willen nicht konzentrieren, weil mir ständig irgendwelche Gedanken durch den Kopf schießen, die mir den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Ich ziehe meinen Notizblock heraus und blättere durch die Ideen für meine Website, bis ich eine leere Seite gefunden habe. Ich notiere die Überschrift und unterstreiche sie.
To-do-Liste (vor der Hochzeit)
1. Kleid – besorgen
2. Schuhe – besorgen
3. Haare – dringend etwas unternehmen
4. Figur – ???
Die Liste ist nicht sonderlich hilfreich. Verdammt. Normalerweise mache ich so etwas schrecklich gern: die Vorbereitungen, das ganze Tamtam. Das ist doch Teil des Spaßes. Aber mir bleiben gerade einmal zweieinhalb Tage, außerdem liegt die Latte verflixt hoch. Normalerweise müsste ich längst im Shoppingfieber die Oxford Street auf und ab rennen und hektisch die Läden nach etwas Passendem abklappern, aber ich bin wie paralysiert. Er hat eine andere. Was kann ich schon dagegen tun? Welche Art Kleid könnte daran noch etwas ändern? Allein der Gedanke beschwört eine abgrundtiefe Hoffnungslosigkeit in mir herauf und verwandelt mich in ein wimmerndes Häuflein Elend.
So wird das nichts.
Ich sehe aus dem Fenster. Es ist tatsächlich ein wunderschöner sonniger Tag. Ein Tag, der sich in all seiner deprimierenden Endlosigkeit vor mir erstreckt. Das Protokoll lauert ungeschrieben auf dem Bildschirm vor mir, doch plötzlich überkommt mich der unbezwingbare Drang, das Büro zu verlassen. Aber ich habe keine Lust, allein zu sein. Wer könnte an einem sonnigen Mitt wochnachmittag nichts Besseres zu tun haben, als eine Weile mit mir abzuhängen?
Max betritt in Jeans und T-Shirt den kleinen Gastraum des Crown. Trotz der Hitze trägt er seine schweren schwarzen Bikerstiefel. Er schiebt seine riesige, rot gerahmte Sonnenbrille ein Stück hoch, sodass sie wie ein zweites Augenpaar auf seiner Stirn sitzt, und blinzelt, während sich seine Augen an die Düsternis gewöhnen. Ich winke ihm von dem kleinen Ecktisch aus zu.
»Was bist du? Eine Fledermaus, die hier in der
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