Liebe auf den ersten Klick
werfe mich in die Sofakissen und beginne, haltlos zu schluchzen.
Nach einer Weile spüre ich, wie mein linkes Bein einschläft. Ich stehe auf und sehe auf die Uhr. Es ist halb neun. Ich blicke in den großen französischen Spiegel, den ich supercool fand, als ich hier eingezogen bin. Inzwischen finde ich ihn bloß noch albern. Rob würde er nicht gefallen. Er ist viel zu schwer, um ihn aufzuhängen. Anfangs dachte ich, es würde cool wirken, wenn er gegen die Wand gelehnt dasteht, aber jetzt stelle ich fest, dass das Spiegelbild dadurch völlig verzerrt wird: Meine Hüften sind doch nicht breiter als meine Schultern! Das weiß ich sicher. Ich trete davor und betrachte mich von oben bis unten: ein dunkelhaariges Mädchen mit verquollenen Augen in einem einfachen Kleid. Ich ziehe den Bauch ein, reiße die Augen auf und plustere meinen Pony ein bisschen auf. Dann wische ich mir die verschmierte Wimperntusche ab und stelle mich einen Moment lang kerzengerade hin, bevor ich die Schultern wieder sacken lasse. Ich kann es drehen und wenden, wie ich will – ich sehe genauso aus, wie ich mich fühle: beschissen. Ich brauche dringend Hilfe. Ich greife nach meinem Handy.
»Lucy hier.«
»Hi, ich bin’s.«
»Viv, im Moment passt es gar nicht.« Es klingt, als würde sie den Atem anhalten.
»Okay, es dauert auch nicht lange. Ich wollte nur kurz fragen, wie du mich beschreiben würdest. Bin ich hübsch?«
»Ja.«
»Wie? Sexy hübsch? Mädchenhaft hübsch? Elegant hübsch?«
»Sexy hübsch«, presst sie hervor.
»Hm. Vampmäßig sexy hübsch oder eher latent sexy hübsch?«
»Was wäre dir denn lieber?« Sie keucht leicht.
»Ich glaube, nicht zu gewollt sexy hübsch wäre am besten.«
»Dann bist du das.«
»Nein, bin ich nicht. Aber ich will.«
»Das ist mir im Moment scheißegal, Viv! In meinem Bett liegt ein Mann, und ich habe jetzt keinen Nerv für so was.« Sie legt auf.
Ich fasse es nicht. Was für eine Egoistin. Aber das ist ja nichts Neues. Ich weiß, dass Lucy ziemlich egoistisch sein kann … und herzlos. Sie weiß doch, dass ich total fertig bin. Und wer ist überhaupt der Typ in ihrem Bett? Sie hat doch noch nicht mal einen festen Freund. Ich kann nicht glauben, dass es jemanden in ihrem Leben gibt und ich nichts davon weiß. Diese Frau ist nicht nur egoistisch und herzlos, sondern auch noch eine elende Heimlichtuerin.
Ich gehe in die Küche und starre eine Weile ins Leere. Einen Moment lang überlege ich, ob ich mir einen Kaffee machen soll. Mein Blick fällt auf meine rosafarbenen Lackschränke, die im Vergleich zu Robs massiver Nussholzküche billig und kindisch wirken. Was habe ich mir bloß dabei gedacht, als ich diese Wohnung gemietet habe? Ich öffne den Kühlschrank und sehe hinein. Ein abgrundtiefer Seufzer scheint zu helfen, dass ich mich eine Spur besser fühle. Wie verhalten sich andere Menschen in einer Situation wie dieser? Die meisten würden wohl nach Hause zu ihren Eltern flüchten, sich ausheulen und bei einer schönen Tasse Tee wieder zu Kräften kommen, aber so etwas habe ich nicht. Positiv ausgedrückt, müsste man meine Mutter wohl als rastlosen Menschen bezeichnen. Sie wurde schwanger, noch bevor sie die Schule abgeschlossen hatte, weigerte sich aber standhaft zu verraten, von wem. Bei meiner Geburt war sie gerade einmal sechzehn. Als ich sieben war, gelangte sie zu dem Schluss, dass sie für das Mutterdasein nicht geschaffen sei, und schloss sich »einer Zigeunertruppe« an, wie Opa es nannte. Ich könnte zu Nana fahren. Wieso eigentlich nicht? Am besten, ich rufe sie gleich mal an. Ich schlage den Kühlschrank zu und greife zum Hörer.
Es klingelt. Wo ist sie bloß? Ich lasse mich aufs Sofa fallen und drücke mehrmals hintereinander die Wahlwiederholung. Bestimmt buddelt sie in einem ihrer leinenen Sackkleider und ihren Tabi-Sandalen im Garten herum, ohne zu ahnen, wie sehr ich leide. Ich probiere es noch einmal. Endlich hebt sie ab.
»Wer ist da?«, stößt sie atemlos hervor.
»Nana! Ich bin’s! Ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen. Wo steckst du denn?«
»Oh, ach … hier und da.« Sie klingt irgendwie seltsam, wie ein Kind, das lügt.
»Er hat eine andere, Nana«, sprudelt es aus mir heraus, und ich spüre eine neuerliche Woge des Kummers über mir zusammenbrechen.
»Wer denn, Schatz?«
»Rob. Mein Rob.« Schweigen. »Der Mann, den ich heiraten wollte, schon vergessen?«
»Ich dachte, du hättest mit ihm Schluss gemacht.«
»Das habe ich auch, aber
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