Liebe auf den ersten Klick
jetzt hat er eine neue Freundin. Das kann er doch nicht machen!« Meine Nase ist verrotzt, und meine Stimme ist so schrill, dass sie sich überschlägt. Im Hintergrund ertönt ein Scheppern, als hätte jemand einen Blecheimer fallen lassen. »Nana? Alles in Ordnung?« Unterdrücktes Kichern dringt durch die Leitung. »Nana?«
»Ja, Liebes, alles in Ordnung. Reggie hat nur gerade den Champagnerkübel umgeworfen.«
»Den Champagnerkübel?«
»Ja. Los, Reg, heb ihn wieder auf. Das geschmolzene Eis sickert schon überall im Teppich herum.«
»Er ist um diese Uhrzeit bei dir und trinkt Champagner?«
»Genau, Schatz.« Sie klingt hocherfreut.
»Es ist noch nicht mal neun.«
»Wir machen einen Champagnerbrunch. Mit frischem Räucherlachs.«
»Einen Brunch? So was macht man doch erst um elf.«
»Ach? Dann eben ein Champagnerfrühstück.«
Ich spüre, wie jemand das Messer in meiner Brust noch einmal umdreht. Offenbar geht es der ganzen Welt prächtig, nur mir nicht.
»Tja, dann will ich dich nicht länger aufhalten, Nana. Wir wollen doch nicht, dass dir mein Liebeskummer das Frühstück verdirbt, oder?«
»Gut, Schatz. Rufst du später noch mal an?«
»Vielleicht.«
»Bis dann, Herzchen.«
Ich lege auf. Herzchen? Champagnerbrunch? Das muss der Einfluss von diesem »Reggie von nebenan« sein, der sich neuerdings ständig im Haus meiner Großeltern herumdrückt, vor allem seit Opa tot ist. Eine bis über beide Ohren verknallte Nana ist so ziemlich das Letzte, was ich jetzt noch brauche. Meine Oma darf kein aktiveres Liebesleben haben als ich, oder? Sie ist schließlich siebzig Jahre alt!
Ich stopfe mein Handy in die Handtasche. Höchste Zeit, mich auf den Weg zur Arbeit zu machen. Einen Moment lang überlege ich, ob ich eine Jacke brauche. Ich bin fast schon aus der Wohnungstür, muss jedoch noch zweimal umkehren, weil ich meinen Schlüssel und meine Handtasche vergessen habe, ehe ich endlich die mit Teppich ausgelegten Stufen hinuntereile und auf die Straße trete.
In diesem Moment trifft mich die Erkenntnis wie ein Blitzschlag: Ein schöner Tag! Ein perfekter Tag für eine Hochzeit in Weiß! Janes und Hugos Hochzeit! Nur noch drei Tage! Was soll ich jetzt machen? Ich kann da nicht hingehen! Aber ich muss! Ich habe schon zugesagt!
Ich springe gerade noch rechtzeitig in den Bus, bevor der Fahrer die Türen schließt und losfährt. Eigentlich hatte ich vor, in meinem alten blauen Cocktailkleid auf der Hochzeit aufzuschlagen, mit Rob an meiner Seite, und gemeinsam wieder nach Hause zu fahren. Aber jetzt sieht die Sache anders aus. Mir bleiben gerade einmal drei Tage, um ein hammermäßiges Outfit zu finden, sechs Kilo abzunehmen und einen neuen Freund aus dem Hut zu zaubern. Vergiss es! Während wir in Richtung Innenstadt rumpeln, lasse ich den Blick über die Kleider in den vorbeiziehenden Schaufenstern schweifen und probiere sie im Geiste durch. Plötzlich habe ich nur einen einzigen Wunsch: endlich aussteigen.
Schließlich folge ich den Massen der Berufstätigen über die Marylebone Street und gehe die Baker Street entlang. Ist sie das?, frage ich mich bei jeder jungen Frau, die mir entgegenkommt, bis ich vor den Drehtüren von Barnes & Worth stehe.
Ich trete in den überfüllten Aufzug. Die Türen schließen sich. Der Pfeil aus roten Lichtpunkten zeigt nach oben, erlischt jedoch, als die Türen noch einmal aufgehen und ein hochgewachsener Mann mit graumelierten Haaren einsteigt. Ich weiche zurück, damit er mir mit seinen auf Hochglanz polierten Quadratlatschen nicht auf die Füße tritt. Der Pfeil erscheint wieder. Weiter geht’s. Nein, doch nicht. Wieder öffnet sich der Aufzug, und eine junge Frau in einem zu engen Pulli quetscht sich unter gemurmelten Entschuldigungen herein. Okay, jetzt aber. Pfeil nach oben. Gut.
Herrgott noch mal! Die Türen öffnen sich abermals. Ich betrachte die Aufzugkabine in den verspiegelten Fliesen an der gegenüberliegenden Wand – wir sehen aus, als hätte man uns in eine Sardinendose gezwängt. Ein Typ mit zu viel Gel im Haar versucht zuzusteigen. Prompt gehen die Türen nicht mehr zu. Nach einer halben Ewigkeit dämmert es ihm, dass es an ihm liegt, und er steigt aus. Wieder gehen die Türen zu und öffnen sich sofort wieder, weil der Schwachkopf zu schnell auf den Scheißknopf gedrückt hat.
»Hier passt keiner mehr rein! Hören Sie endlich auf, den Knopf zu drücken!«, zetere ich hinter dem Graumelierten hervor. Flüchtige Aufregung macht sich breit, als die
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