Liebe auf den letzten Blick
Im Moment kann ich nur eine Grimasse schneiden und hoffen, dass sie mir nichts Lebenswichtiges mitteilen wollte. Auch wenn ich stinksauer auf sie bin, möchte ich ihr nicht die Tour vermasseln. Wohin auch immer diese führt.
»Vielleicht zuerst unseren Gemeinschaftsraum?«, schlägt Amelie vor.
Ah, anscheinend hat sie ihm von der Wohnung vorgeschwärmt und eine Führung versprochen. Warum nicht, wenn’s die Kreditvergabe fördert. Ich folge den beiden durch den Flur in unsere Fernsehlounge, wie Irma das Zimmer gern nennt. Klingt ungeheuer modern, ändert aber leider auch nichts am miserablen Fernsehprogramm.
Als Karl-Heinrich unser altes Röhrengerät erblickt, stutzt er kurz, dann bekommen wir einen Crashkurs zum Thema Fernsehtechnik.
»Habe mir zur letzten Fußball-EM ein Flachbildschirm-Gerät gegönnt. Man muss sich doch auch mal verwöhnen. Hahaha. Panasonic TX-P42GW20, neueste Plasmatechnik. Phänomenal. Mattscheibe reflektiert kaum noch. Selbstredend für alle TV-Empfangsarten gerüstet. Digitalübertragung, Satellit, Kabelanschluss und was die Zukunft sonst noch bringt. Da sehe ich die Fouls, noch ehe der Schiri pfeift.«
»Interessant«, grummle ich, obwohl ich seinen Vortrag so aufregend finde wie abgestandenen Kaffee.
Amelie zeigt sich begeistert: »Ich liebe Fußball!«, und verpasst den fünf Sofakissen mit gezieltem Handkantenschlag ordentliche Hasenohren.
Karl-Heinrich starrt ihr dabei wohlgefällig grinsend aufs geblümte Hinterteil. Als sie ihr Werk vollendet hat, erkundigt er sich nach den Bädern.
»Ein Badezimmer, ein Duschbad, jeweils mit Toilette«, antworte ich.
»Aha. Und vier Bewohner. Mmm.« Nachdenklich kratzt er sich am Hinterkopf. »Und wie gestaltet sich die Aufteilung?«
»Wie’s grad kommt, Karl-Heinrich«, antwortet Amelie. »Wir stehen ja nicht alle gleichzeitig auf. Und bisher gab es keine Komplikationen.«
Keine Komplikationen? Von wegen! Aber mir ist immer noch nicht klar, worum es hier eigentlich geht. Vielleicht könnte ich Brettschneider mit einigen schlüpfrigen Duschorgiendetails in die richtige Stimmung zur Kreditvergabe versetzen? Überhaupt könnte ich den Bankenmops mit kleinen Anekdoten aus unserem WG-Leben erheitern – über lustige Abende mit Joints und Haschkeksen oder Nacktgrillen. DasGebiss im Kühlschrank nicht zu vergessen. Aber das lasse ich lieber bleiben, nicht dass noch Zweifel an unserer Zurechnungsfähigkeit aufkommen.
Stattdessen antworte ich: »Mir sind auch keine Probleme bekannt, Herr Brettschneider«, und setze noch eine fette Lüge obendrauf: »Alles in allem überwiegen die Vorteile.«
In Wahrheit fallen mir zurzeit nur Nachteile ein, aber wozu sollte ich ihm alles verraten?
Karl-Heinrich scheint dennoch zu zweifeln. »Nun, ein eigenes Bad ist ein eigenes Bad.«
Das wäre mir nie im Leben eingefallen, hustend unterdrücke ich einen Lachanfall.
Die Führung endet in der Küche, wo sie begonnen hat.
Amelie bittet Karl-Heinrich Platz zu nehmen, und bietet vor dem lästigen »Schreibkram« noch Erfrischungen an.
»Danke nein, liebste Amelie«, lehnt Brettschneider ab und möchte zur Sache kommen. Demonstrativ pflanzt er die Hände auf seine Ledermappe und holt Luft. »Punkt eins: Ein Zusammenleben kommt für mich nicht in Frage. Ich habe da so meine Bedenken in Sachen Badezimmer. Schließlich sind wir einander ja völlig fremd.«
»Schade«, säuselt Amelie. »Wirklich zu schade. Wenn dir die Wohnung nicht zusagt …«
Ich brauche einen Moment, um zu kapieren, was hier läuft. Ich blicke Amelie fragend an. »Herr Brettschneider zog in Erwägung, hier unter Umständen einzuziehen?«
Unschuldig klimpert sie mit den getuschten Wimpern und hebt abwehrend die Hände. »Na ja, Karl-Heinrich sucht zurzeit eine neue Wohnung, und da Irmas Zimmer frei wird, dachte ich …«
Ich schnappe nach Luft. Sie wollte mir allen Ernstes diesen langweiligen Bankenmops ins Nest setzen? Nicht mit mir! Ichsetze zu einer Standpauke an, doch dann wird mir bewusst, was ich für ein Glück habe. Ein Badezimmer mehr, und der Mops hätte hier einziehen wollen.
»Tja, wirklich schade«, täusche ich mit krauser Stirn Enttäuschung vor.
Brettschneider lässt mein »Bedauern« unkommentiert und schlägt die Ledermappe auf. »Kommen wir zu Punkt zwei.«
»Dem Kredit!«, souffliere ich, um die Angelegenheit zu beschleunigen. Mein Magen rumort unruhig und verlangt nach dem Abendessen.
Gustl betritt die Küche, als habe er meinen Hunger erhört.
»Oh, störe
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